Essen. Der Tatort aus Münster beeindruckt durch Komik und Sensibilität. „Heidenkind” Thiel - der Jesus für einen Nichtschwimmer hält, weil er "immer übers Wasser ging" - muss in der erzkatholischen Stadt einen Priestermord aufklären - auf der Spur der "Tempelräuber".

An der Silhouette taucht gleich in der ersten Einstellung eine Kirche auf. Verschwommen zwar, aber dennoch dominierend. Münster, diese beschaulich-konservative westfälische Bischofsstadt hat genug davon. Was Regisseur Magnus Tiefenbacher im Tatort "Tempelräuber” zu immer neuen Bildern dieser meist altehrwürdigen Gemäuer reizt.

Tief im katholischen Milieu spielt auch die Geschichte. Vor den Augen von Professor Boerne (Jan Josef Liefers) wird ein alter Mann überfahren. Als Boerne dem auf der Straße liegenden Opfer zu Hilfe eilt, wird er von dem Attentäter ebenfalls angefahren und erleidet komplizierte Armbrüche, die ihn in gewissen Lebensbereichen komplett außer Gefecht setzen. Als hilflose Person fühlt er sich wie ein „öffentlicher Wühltisch” – was natürlich zu unerwarteten skurrilen Situationen führt.

War Jesus Nichtschwimmer?

Wobei schräge Dialoge und absurde Szenen zum Markenzeichen des Münsteraner Tatorts geworden sind. Und soviel sei verraten: auch der am Sonntag wird die Lachmuskeln zum Schwingen bringen. Als Kommissar Thiel (Axel Prahl) mit seiner kettenrauchenden Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann) das Opfer als den Regens des Priesterseminars Sankt Vincenz identifiziert, erklärt Klemm ihrem in Kirchenfragen eher unbeleckten Kommissar: „Ein toter Priester in Münster zählt soviel wie zwei tote Bürgermeister oder drei tote Polizisten . . .”

Das „arme Heidenkind” Thiel, dessen Bibelkenntnis sich darauf beschränkt, dass er Jesus für einen Nichtschwimmer hält, „weil er immer übers Wasser ging”, muss im Priesterseminar ermitteln. Und stellt schnell fest, dass sich jenseits christlicher Nächstenliebe, Gelübde und Gebetswütigkeit, neben Unterordnung, Gehorsam und kontemplativer Konzentration so manches, durchaus weltliche Geheimnis verbirgt.

Krimihandlung, Kirchenkritik und Slapstick

Motive für den Mord gibt es genug. Beeindruckend, dass Drehbuchautor Magnus Vattrodt die Krimihandlung nie aus den Augen verliert. Slapstick findet in den zahlreichen Seitensträngen statt. Leicht und launig darf dort gewitzelt werden.

Trotzdem bleibt Zeit und Platz für glaubwürdige Gesellschafts- und Kirchenkritik. Eingebettet in kurzweilige Unterhaltung schafft es Vattrodt, ausgesprochen sensibel das Thema Priesterkinder zu beleuchten. So mancher Dokumentarfilmer könnte von dieser Art der Aufarbeitung lernen. Denn obwohl knapp die Hälfte der etwa 17 000 katholischen Priester sexuelle Beziehungen zu Frauen unterhalten soll, jeder dritte davon sogar ein Kind gezeugt haben soll – selten wurde so einfühlsam über Ängste, Sehnsüchte und Lügen gesprochen.

Thiel, Boerne & Co beweisen einmal mehr, dass der Münsteraner Tatort berechtigt als Kultmarke unter den Zuschauern gehandelt wird und zum absoluten Muss am Sonntagabend aufgestiegen ist.

ARD, Sonntag, 25. Oktober, 20.15 Uhr