Berlin. ARD-Moderatorin Sandra Maischberger hat ein Erfolgsgeheimnis, das sie von anderen abhebt. Deshalb wird sie von Markus Lanz gefürchtet.
WDR-Intendant Tom Buhrow war nicht erschienen im Spätsommer, als die Mannschaft von Maischberger den 20. Geburtstag feierte. Wer 433.000 Euro im Jahr verdient, 70.000 Euro mehr als der Kanzler, ringt halt unentwegt um die Zukunft des Rundfunks. Da bleibt fürs Programmpersonal, sorry, leider keine Zeit.
Sandra Maischberger (57) sieht nach 38 Jahren Dienst am Mikrofon über derlei Führungskultur höflich hinweg. Wer in komplexen Apparaten arbeiten will, sucht sich eine ruhige Ecke. Dort hat die Journalistin mit ihrem Team unauffällig das modernste deutsche Talkkonzept gebastelt, nach dem Büffet-Modell: von allem etwas, von Gauck bis Geissens, von Baerbock bis Bohlen.
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Sandra Maischberger: Diese Mischung macht ihr Format erfolgreich
Maischberger bietet ein- bis zweimal die Woche in der ARD eine Wundertüte aus Presseclub, nur unterhaltsam, Kölner Treff, Günter Gaus, mit Spuren von heuteshow und Tagesthemen. So mag es das reizbegierige Publikum aus der „Eroberungszielgruppe“, Menschen zwischen 35 und 49, die klassisches Fernsehen nicht automatisch einschalten.
Anders als die Konkurrenz bietet Maischberger mindestens drei Formate in einer Sendung. Am Tresen balgen sich zum Start drei Medienmenschen, darunter auch Spaßmacher wie Oliver Kalkofe. Dann wechselt die Moderatorin zur Wohnzimmerinsel: Einzelgespräch. Zwischenstopp am Tresen, zurück zu einem Zweier-Talk. Duelle wie FDP-Baum gegen AfD-Gauland oder CDU-Merz gegen SPD-Klingbeil sind Leckerbissen. Legendär auch der Verhaspler von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der Bäckern Angst vor der Insolvenz machte, statt sie ihnen zu nehmen.
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Der Ablauf bietet maximale Flexibilität zwischen Talk und Show, erfordert aber eine wache wie strenge Moderation. Diese Kunst hat Sandra Maischberger verfeinert, seit sie 1985 gleich nach dem Abi in München einen Talentwettbewerb gewann und im BR-Radio „Rock-Lok“ moderieren durfte.
Maischberger gilt als Entdeckung von Talklegende Alfred Biolek
Drei Tage Uni, zwei Jahre Deutsche Journalistenschule, seitdem Fernsehen. Start mit „Live aus dem Schlachthof“, 1991 „Talk im Turm“ mit Erich Böhme, 1992 im Wechsel mit Roger Willemsen „0137“ bei Premiere, ein dreigeteiltes Gesprächsformat übrigens. Ab 2000 täglicher Talk auf ntv, seit 2003 „Menschen bei Maischberger“ als Nachfolge des legendären „Boulevard Bio“. Meister Biolek hatte die Nachfolgerin persönlich ausgesucht, wohl, weil er seinen ruhig-beharrlichen Stil fortgesetzt sah. Auch Altkanzler Schmidt fühlte sich bei ihr sicher.
Bis heute bietet Maischberger den Silberrücken der Republik einen barrierefreien Pavianfelsen. Wickert, Grupp, Kubicki, Messner, Gysi, Schily, Lafontaine, Bosbach, Sanders – eine nicht gerade durchquotierte Altherrenmannschaft, die aber Quote garantiert. Wenn sich Deutschlands TV-Publikum auf einen Satzanfang einigen kann, dann heißt er „Früher…“. Bei einem Talk mit Hundertjährigen schlief der einzige Mann allerdings ein, während Maischberger mit den Damen weiterplauderte. Talk ist ein anderes Wort für schmerzfrei.
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Der Plan für den radikalen Wandel lag Jahre in der Ideen-Mappe und wäre in normalen Zeiten in Funktionärsrunden gescheitert, die aus der Jägerzaunperspektive diskutieren, ob man Gäste von RTL einladen darf. Dann kam die Pandemie, die als Möglichkeitsfenster vor allem von denen begriffen wurde, die im harten Wettbewerb das Optimieren im Nanobereich gelernt haben: Lanz und Maischberger.
Beide senden an den Fußballtagen Dienstag und Mittwoch, der Todeszone. Selbst gegen den grottigsten Kick der Champions League lässt sich kaum antalken. Zugleich fördert der Kampf gegen die Kicker die Kreativität. Redaktionsleiter Jakob Menge liest Quotenverläufe akribisch wie ein Trainer die Heatmaps seiner Spieler: Wo hat die Sendung Zuschauer gewonnen, wann sind sie abgehauen, wie lässt sich die Klebekraft verbessern?
Maischberger gegen Lanz ist wie Dortmund gegen Bayern
Didi Hallervorden? Warum nicht. PalimPalim geht immer. Auch beim Digitalausbau. Mediathek, Youtube, X, Insta – überall ist die Redaktion Maischberger unterwegs. Aus den Talks wird über Nacht ein erfolgreicher Podcast geschnitten, Schnipsel der Sendung verbreitet die digitale Tagesschau millionenfach. Das Gespräch mit Dieter Nuhr sahen auf Youtube 2,7 Millionen, Helge Schneider kam auf fast 600.000. Könnte sein, dass die Gesamtreichweite von Maischberger vor der Konkurrenz liegt. Bislang gibt es keine Kennzahl, die die antiquierte Quote ersetzt.
Feststeht, dass die modernisierte Maischberger zu den Plänen der ARD-Programmdirektorin Christine Strobl passt, die die Renovierung vorantreibt, auch wenn die Herren bei WDR und NDR fremdeln. Als Vorbild dient das ZDF mit einer staatstragenden und drei etwas freieren Runden pro Woche.
Verabschiedet sich „Hart aber fair“ (Montag, ARD) aus dem klassischen Programm, stünde indirekt Caren Miosga (Sonntag, ARD) gegen Maybrit Illner (Donnerstag, ZDF) und zumindest dienstags und mittwochs Maischberger (ARD) direkt gegen Lanz (ZDF). Der aktuelle Vertrag sieht nur gut 60 Maischberger-Sendungen im Jahr vor, Lanz kommt auf die doppelte Zahl – derzeit ein Wettbewerbsnachteil. Schon im zweiten Halbjahr 2024 könnten die beiden Talker, Podcaster, Fleißmenschen gegeneinander antreten. Ein Duell werden wie Dortmund gegen Bayern. Wobei noch nicht ausgemacht ist, wer wer sein wird.