Köln. Wurde der Falsche verurteilt oder ist das Geständnis gelogen? Oder beides? Der Kölner „Tatort: Vier Jahre“ ist ein raffiniertes Glanzstück.
„Lebenslänglich“ heißt es in der ersten Spielminute: Sollten Krimis nicht eher so enden als so anfangen? Aber war’s der Verurteilte überhaupt oder muss da gerade ein Unschuldiger ins Gefängnis – so geht’s natürlich auch. Und der Kölner „Tatort: Vier Jahre“ spielt mit dieser Spurensuche nach der Wahrheit so elegant, dass man den Ermittlerkumpels Ballauf und Schenk mit diesem Fall zu ihrem 25-jährigen Fernseh-Dienstjubiläum von Herzen gratulieren darf: Torsten C. Fischer (Regie) und Wolfgang Stauch (Drehbuch) beschenken die beiden und ihr Publikum mit einem kleinen Glanzstück.
Die Nervensäge liegt tot im Pool
Die Zeitebenen verschwimmen mit Rückblenden in den ersten Minuten, ohne dass Fischer in dieser für „Tatort“-Verhältnisse rasanten Eröffnung je den Faden verliert oder der Zuschauer den Überblick. Zwischen
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Gerichtssaal und Silvesterparty zappt er hin und her, komponiert es klug wie einen sich zuspitzenden Albtraum. Am Ende der krawalligen Party unter trinkfesten Schauspielkollegen liegt die verhasste Nervensäge tot im Pool. Und weil dieser Thore Bärwald (Max Hopp) kurz zuvor im Garten beim Sex mit der minderjährigen Tochter (Sarah Buchholzer) des Gastgebers Moritz Seitz (Thomas Heinze) erwischt wurde, gilt eben der als Hauptverdächtiger.
Alles wird wie es mal war - oder nicht?
Vier Jahre später nun gesteht Seitz’ abgewrackter Freund Ole Stark (Martin Feifel) ganz unvermittelt, dass er den Mord begangen habe. Auch hier bebildert Fischer die subjektive Wahrheit aus dem Geständnis, aber kann man glauben, was man sieht? Und Seitz frohlockt derweil bei der Heimkehr ins schicke Haus und beim Anblick seiner Frau (Nina Kronjäger): „Alles wird, wie es mal war.“ Man braucht keine Krimierfahrung, um zu wissen, dass daraus nichts wird. Vorhang auf fürs Drama, und das ist raffiniert gebaut.
Ballauf und Schenk bieten mehr als Ermittler-Routine
Aufklären, was aufgeklärt schien, ist für Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär) unter Schauspielern besonders anspruchsvoll, denn wer beherrschte das Spiel mit Lüge und Wahrheit besser? „Wenn’s einer von denen war, dann spielt er jetzt tot. Aber die können das. Die machen das beruflich“, stöhnt Schenk. „Sie waren doch Schauspieler, Sie spielen uns doch hier was vor“, schnaubt Ballauf. Beide entfliehen hier auch erfreulicherweise mehr und mehr der Ermittler-Routine, die sich in den letzten Jahren manchmal als dramaturgischer Bremsklotz erwies.
Seitz will sein Gewinnerleben zurück
Während sie sich nun also abmühen, entfaltet sich der Reiz aber nicht nur in der Frage, was nun tatsächlich einst auf der Feier passierte, sondern vor allem in Seitz’ Ringen darum, sein Gewinnerleben wieder herzustellen. Thomas Heinze hat starke Auftritte als langsam Zweifelnder und Verzweifelnder. Martin Feifel stattet seinen Verlierer mit leiser Restwürde aus, Nina Kronjäger bleibt unberechenbar.
Kameramann Holly Fink und Szenenbildner Eduard Krajeweski setzen den optischen Rahmen mit Finesse. Seitz’ Pool wird zum Stimmungs-Seismographen, erst Badeplatz der Reichen, später, wenn alles verloren scheint: eine ziemlich hässliche Grube.