Essen. Wie cool waren die 60er Jahre wirklich? Ausgerechnet im Bezahlfernsehen startet eine der aufregendsten Serien des Jahres. "Mad Men" von "Sopranos”-Autor Matthew Weiner spielt gekonnt mit den Klischees und lässt das Jahrzehnt wieder auferstehen.

Die aufregendste Serie des Jahres startet am Montag. „Mad Men” (Fox, 21 Uhr) lässt die Sechziger auferstehen, damals als die moderne Gier ihren Anfang nahm. Ein dickes Ende ist schnell abzusehen. Vorerst läuft die US-Produktion nur im Bezahlfernsehen. Aber frei empfangbare Sender stehen bereits Schlange, um sich die Rechte zu sichern.

„Sopranos”-Autor Matthew Weiner scheint einen sechsten Sinn zu haben: Er ahnte bereits vor zehn Jahren, dass die Sechziger fröhliche Urständ feiern würden. Tatsächlich wirkt das Jahrzehnt, das die westliche Welt in jüngerer Zeit so stark prägte wie keins davor und keins danach, wie ein schönes Gegenbild zur hässlichen Gegenwart, in der Werte, moralische wie materielle, krisenhaft zerbröseln. In den Sechzigern, so scheint es, gab es nur eine Richtung: nach oben.

Genau damit spielt Weiner. Er siedelt seine Geschichte im Milieu der Werbeleute von New York an. „Mad Men” heißen die Typen von Madison Avenue doppelsinnig. Dort sind die großen Agenturen beheimatet, und ihre Leute stehen – Boom hin, Karriere her – mächtig unter Druck. Nur „Mad Men” schaffen es nach ganz oben, Verrückte.

Don Draper (Jon Hamm) ist verrückt. Der Kreative mit dem Charme des jungen Sean Connery liebt das Risiko, spielt mit dem Feuer, in mehrerer Hinsicht. Sein Familienleben mit entzückender Gattin und zwei reizenden Kindern setzt er durch Affären aufs Spiel. Seinen Rückhalt im Büro gefährdet er durch Arroganz, Manieren hält er für Zeitverschwendung, Rücksicht für Sozial-Klimbim. Zudem hält sich der Mann aus der Generation der Kriegsgewinner für unsterblich: Suff, mit Stil, versteht sich, prägt bereits den Arbeitstag. Er darf nur nicht auffallen, im Gegensatz zu der Zigarette, die niemals ausgehen darf. Allein aus beruflichen Gründen: Don muss eine neuartige Werbekampagne für Zigaretten entwickeln, nachdem die US-Regierung verboten hat, Tabak als gesundheitsfördernd zu verkaufen.

Von der Nummer 1 zum Jammerlappen

Doch wie cool waren die Sechziger wirklich? Matthew Weiner reißt bereits in der ersten 13-teiligen Staffel die Fassade seiner Helden ein. Dons Selbstsicherheit beginnt zu wanken, als ein Kollege ihn erpresst, und sein Chef Roger Sterling (John Slattery) schrumpft nach einer Herzattacke von der Nummer 1 der Schürzenjäger zum Jammerlappen, der sich ausgerechnet in den Armen seiner Gattin ausheult, die ihn mehr hasst als liebt.

Dennoch hat das US-Publikum die Serie des Kabelsenders AMC zu lieben gelernt – wegen seiner kinoreifen Erzählweise, wegen seiner starken Besetzung und vor allem wegen seiner liebevollen Rekonstruktion der Sechziger. Nicht nur Kulisse und Kostüme stimmen bis ins Detail, auch die Dialoge bilden die Mentalität jener Jahre perfekt ab. Nur eines bietet die Serie eben nicht: platte Nostalgie.