Berlin. Bei “Markus Lanz“ ging es am Dienstag um Belarus. Ex-SPD-Chef Gabriel musste sich unangenehmen Fragen zu Altkanzler Schröder stellen.
Als Reaktion auf die Zwangslandung eines Zivilflugzeuges in Minsk, verhängte die Europäische Union verschärfte Sanktionen gegenüber dem Lukaschenko-Regime. Doch sind die Maßnahmen ausreichend? Überhaupt nicht, findet der ehemalige SPD-Chef Sigmar Gabriel. Bei "Markus Lanz" plädierte der Politiker für mehr politische Entschlossenheit seitens der Europäischen Union.
"Markus Lanz" – Das waren die Gäste:
- Jakob Wöllenstein, Osteuropa-Experte
- Sigmar Gabriel, Politiker
- Markus Feldenkirchen, Journalist
- Corinna Milborn, Journalistin
"Markus Lanz": Gabriel kritisiert milde Sanktionen
"In dem Fall finde ich schon, muss die EU deutlich mehr machen", sagte Sigmar Gabriel zu Beginn der Sendung. Mit "mehr machen" meint der ehemalige SPD-Chef vor allem Sanktionen wie Botschafter kündigen, Konten einzufrieren und Pässe von Diplomaten einziehen.
- Verfolgen Sie die Entwicklungen zu Belarus in unseren News-Blog
Die Zwangslandung und anschließende Festnahme des oppositionellen Journalisten Roman Protassewitsch zeigt laut Osteuropa-Experte Jakob Wöllenstein vor allem eins: eine Menge Macht.
Protassewitsch gründete den Telegram-Informationskanal Nexta, der laut Wöllenstein "zum Feindbild für Lukaschenko" wurde. Dort verbreitete der Blogger Informationen über Proteste und die politische Lage im Belarus. Wöllenstein vermutet dabei die "Jagd auf Oppositionelle" als zentrales Motiv hinter der Aktion.
"Lanz": Protassewitsch droht vielleicht die Todesstrafe
Laut dem Osteuropa-Experten wolle der belarussische Geheimdienst grenzübergreifend Oppositionelle aufspüren und gezielt töten. Dem mittlerweile in U-Haft sitzenden Journalisten drohen laut Jakob Wöllenstein mindestens 15 Jahre Haft.
Und da in Belarus als einzigem Staat in Europa noch die Todesstrafe gilt, vielleicht sogar noch Schlimmeres. "Wenn also die Anklage von Massenunruhen ausgeweitet wird zu Terrorismus, kann das tatsächlich nochmal eine ganze Stufe schlimmer werden", sagte Jakob Wöllenstein.
Sigmar Gabriel, der Lukaschenko im Jahr 2017 selbst begegnete, kritisierte vor allem die Feindseligkeit gegenüber westlichen Staaten. "Das ist das Propagandabild", sagte Gabriel. So habe die EU lange die Hoffnung gehabt, Belarus würde einen anderen Weg einschlagen.
- Kommentar zu Belarus: Die EU muss härter gegen Lukaschenko vorgehen
Moderator Markus Lanz stichelt: Gerhard Schröder anrufen
Problematisch seien laut Gabriel allerdings die Interventionen. Denn diese würden nicht ausreichen. "Wir gelten nicht als eine Region, die gemeinschaftlich agiert", sagte der SPD-Politiker.
Dies gehe jedoch besonders auf die Erfahrungen der EU mit Kriseninterventionen zurück. "Die Erfahrungen der EU sind nicht besonders gut, wenn man versucht, in innere Konflikte eines Landes von außen einzugreifen. Die Demokratisierung von außen hat eher wenig funktioniert", betonte Gabriel.
Markus Lanz: So liefen die letzten Sendungen
- Asylpolitik: Grüne befürchtet "Massenlager"
- Ukraine-Krieg: Russland-Experte mit harten Worten – "Das russische System ist brutal"
- CDU vs. AfD: Bei einer AfD-Position verliert Lanz die Fassung
- Kanzlerpolitik: Journalistin: Scholz’ Panzer-Taktik "sensationell"
- Aufarbeitung: Silvester-Debatte bei "Markus Lanz" mit neuen Erkenntnissen
- Silvester: Experten nennen Gründe für Silvester-Randale
So ganz konnte sich Moderator Markus Lanz den Seitenhieb dann nicht verkneifen: "Ruft man dann Gerhard Schröder an?"
"Warum soll man jetzt Gerhard Schröder anrufen?", fragte Sigmar Gabriel sichtlich irritiert zurück. Anrufen könnte man Schröder vermutlich deshalb, da der Altbundeskanzler ein besonders gutes Verhältnis zum russischen Präsidenten Wladimir Putin pflegt. Lesen Sie dazu: Was wusste Putin über die Festnahme von Protassewitsch?
Sigmar Gabriel bei "Markus Lanz": Kritik von allen Seiten
Für Sigmar Gabriel allerdings kein Grund für Kritik. "Die Verbindung ist auch genutzt worden, zum Beispiel im Ukraine-Konflikt. Das ist eine sehr situative Art, mit der Debatte umzugehen", sagte der SPD-Politiker. "Finden Sie?", entgegnete Markus Lanz erstaunt. "Mit Russland ist eins ganz offensichtlich: Das ist ein Land, das wir nicht wegdiskutieren können, wir werden auch keinen unmittelbaren Einfluss darauf haben", betonte Gabriel.
Während Sigmar Gabriel versuchte, sich aus dem Fragenhagel zu retten, folgte eine kritische Bemerkung nach der anderen. Doch diplomatisch, wie sich der ehemalige Außenminister präsentierte, versuchte er die Diskussion umzulenken. "Merken Sie nicht, wie absurd die Frage ist?", fragte Gabriel.
Absurd fand Markus Lanz die Frage nicht. "Wenn man glaubwürdig Politik vertreten will, dann darf man doch die Frage stellen, ob es in Ordnung ist, wenn ein ehemaliger Kanzler der SPD so verwoben ist mit diesem Regime", bemerkte der Moderator. "Ich glaube nicht, dass das Verhältnis von Gerhard Schröder zu Wladimir Putin die Ursache für die Probleme der SPD sind", kommentierte der ehemalige SPD-Chef.
Bundestagswahl: Die Kanzlerkandidaten
"Lanz": Für wen macht die SPD eigentlich Politik?
Die Probleme der SPD sind für Sigmar Gabriel vor allem die starke Akademisierung sowie die eigentlichen Inhalte. "Die SPD hat ganz andere Probleme, im Kern hadert sie mit der Frage, für welchen Teil der Bevölkerung will sie da sein? Für wen machen wir Politik?", sagte Gabriel.
"Warum kommt der Scholz-Zug gar nicht erst aus dem Bahnhof?", hakte Markus Lanz anschließend nach. Markus Feldenkirchen argumentierte, dass bei Olaf Scholz das Momentum fehle. Das sah der SPD-Politiker anders. Für Gabriel erfülle Scholz die Voraussetzungen zu erkennen, welchen Stellenwert Deutschland besonders auch im internationalen Bereich hat. "Das ist bei Olaf Scholz ganz gewiss der Fall", so Gabriel.
"Markus Lanz" – So liefen die vergangenen Sendungen
- Reisen: 300 Euro mehr für Reise nach Mallorca?
- Antisemitismus: „Markus Lanz“: Das Antisemitismus-Problem in Deutschland
- Lockdown: Karl Lauterbach macht düstere Prognose
- Impf-Kampagne: Söder erhebt bei Lanz Vorwürfe wegen Corona-Impfstoff
- Maßnahmen: Corona-Politik „Corona-Politik „Ambitionslos" und „bräsig“?
- Corona: Bodo Ramelow gesteht „Bodo Ramelow gesteht „bitteren Fehler“ ein
- Pandemie: Bei Lanz – „Auf einer Intensivstation darf man auch sterben“