Washington. Barack Obama spricht im Lanz-Interview über Trump, das zerrissene Amerika und die Frauen in seinem Leben. Und er hat einen Traum.
Markus Lanz hatte einen Slot: 30 Minuten in einem Washingtoner Hotelsaal mit braunbeigem Teppichboden, Gardinen, Plüschsofa und zwei gegenüberliegenden Sesseln. Auf dem einen saß er, der deutsche Talkmaster, auf dem anderen – im Corona-Abstand – der frühere Präsident der Vereinigten Staaten, Barack Obama . Eine schlichte Szenerie. Ein wenig spießig, altbacken.
Für Lanz ist es der Moment der Obama-Festspiele, die in dem Hotelzimmer einen Raum bekommen. Festspiele, mit denen der ehemalige Präsident im Interview die Höhepunkte seines aktuellen Buches „Ein verheißenes Land“ wiederholt und wohl dafür sorgt, dass die erste Auflage des in 25 Sprachen übersetzten Werkes schnell vergriffen sein wird.
Obama bei Lanz: 30 Minuten Wohlfühl-Amerika im Wohnzimmer
Sei’s drum. Lanz holt mit diesem Interview ein Stück Wohlfühl-Amerika in die deutschen Wohnzimmer. Es ist ein Interview, das die Seele streichelt nach vier Jahren Trump . Das ein Amerika der guten Laune zeigt, der Kultur, des Feingeistes. Der Vision auf ein besseres Leben – natürlich durch Wohlstand. Aber vor allem ist Barack Obamas Amerika ein Land er Einigkeit.
Obama sagt Sätze, die die Welt in den Trump-Jahren nicht zu hören bekam. Sätze wie: „Man muss lernen, dass man nicht besser ist als andere.“ Das klingt demütig aus dem Mund des einst mächtigen Mannes der Welt. Und demütig, erzählt er, war er stets im Weißen Haus : „Am ersten Abend, du putzt die Zähne, und plötzlich überkommt dich die Erkenntnis: Das ist nicht mein Haus, sondern das Haus des Volkes.“
Amtszeit von Barack Obama: Die First Family und die Scharfschützen
Das Amt ist das Leben, das Leben ist das Amt – auch für die Familie, die keinen Schritt mehr ohne den Secret Service machen kann. Der Präsident, die First Lady Michelle, die Töchter Malia und Sasha lernen Hintereingänge der Luxushotels kennen und wissen, dass sie stets von Scharfschützen bewacht werden.
Ein einsamer Spaziergang im Central Park , ein spontaner Restaurantbesuch – all das ist nur noch ein Traum. „Ich träume ihn immer wieder“, erzählt Obama, „doch auch wenn das Amt geht: die Anonymität kommt nicht wieder“.
Obama im Original – übersetzt wird nur per Untertitel
Lanz lässt Obama im Original reden und die deutsche Übersetzung als Untertitel mitlaufen. Keine Synchronstimme verzerrt die Atmosphäre zwischen einem angespannten Talkmaster mit deutschem Akzent und einem entspannten Ex-Präsidenten , der von acht harten Amtsjahren gestählt nun in einen lockeren Plauderton fällt.
Obama über Trump: Er hat den Riss in der Gesellschaft vertieft
Natürlich nutzt Obama die kurze Zeit, um seine Vision von der Einigkeit zu referieren – es ist schließlich das Thema seines Buches. Die Einigkeit in einem Land, das kämpfe zwischen Sklaverei, Unabhängigkeitserklärung und dem Grundsatz: Alle Menschen sind gleich geboren.
Obama, das ist heute klar, hat Amerika nicht vereint. Und schlimmer: Sein Nachfolger Donald Trump und mit ihm die Republikaner „haben versucht, die Reibungen in unserer Gesellschaft für sich auszunutzen“ – den Riss in der Gesellschaft also vertieft. Lesen Sie hier: Obama greift in Philadelphia Trump aggressiv an: „Unfähig”
Das zeige sich an den Protesten gegen Polizeigewalt: Sie gingen nicht nur von den betroffenen Afroamerikanern aus, „sondern von Menschen aus der ganzen Gesellschaft. Das ist die Zukunft Amerikas.“
Obama über Frauen: Sie müssen nicht immer ihr Ego beweisen
Dann wird Obama selbstkritisch: „Es stimmt auch: Weiße Amerikaner auf dem Land lehnten häufig die Globalisierung ab, die neuen Technologien. Dabei dürfen Arbeiter, Handwerker, Menschen außerhalb der Metropolen nicht das Gefühl haben, abgehängt zu werden.“
Eine Erkenntnis, die nicht gerade visionär ist – sondern ziemlich abgegriffen. Ebenso wie seine erschreckend klischeehaften Lobeshymnen auf Frauen:
„Ich hatte stets starke Frauen um mich“, sagt er. „Mir hat das gezeigt, wie wichtig es ist, Frauen Gehör zu schenken und sie in Führungsverantwortung zu bringen“, so der ehemalige US-Präsident .
„Frauen haben die Fähigkeit zu klugen Entscheidungen, ohne ihr Ego beweisen zu müssen. Sie erledigen die Dinge einfach. Michelle und meine Töchter haben mich in dieser ganzen verrückten Zeit davor bewahrt, den Verstand zu verlieren.“
Was Obama nicht kann: Kurz schreiben
In seinem Buch sagt Obama über sich, er neige zu langen Formulierungen. Im knappen Interview hat er gar keine andere Wahl, als mit knappen Formulierungen Kernaussagen seines über 1000 Seiten starken Mammutwerk zusammenzufassen: „Ich kann es nicht kürzer.“
Und so geht es im Schnelldurchgang durch die großen Schwierigkeiten seiner Amtszeit – allen voran die Finanzkrise, die gleich zu Beginn über ihn hereingebrochen ist, dann der Irak-Krieg und die instabile Lage in Afghanistan: „Ich musste Truppen Aufstocken“, sagt er. Und letztlich die einsame Entscheidung treffen, Osama bin Laden töten zu lassen.“
Was Obama gut kann: Witze über Trump
Das war 2011. Und just in dem Moment, als besagte Tötungsaktion läuft, kalauert Obama vor Journalisten beim traditionellen White House Correspondent’s Dinner. Lanz spielt die Szene ein: Obama, fröhlich, smart, witzig, im Visier Gast Donald Trump.
Thema ist die von Trump verbreitete Verschwörungstheorie über Obama, wonach er gar nicht in Hawaii, also den USA geboren worden sei und somit nicht rechtmäßiger Präsident sei. Die Sequenz ist ein Rückblick – der damals ein Ausblick war. Auf vier Jahre Trumpismus. Nun, da die Welt Trump hinter sich hat, macht das wieder Spaß – so wie das ganze Interview.
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