Berlin. Bei „Maybrit Illner“ ging es um ein mögliche zweite Corona-Welle. Sind wir vorbereitet? Der NRW-Gesundheitsminister fand klare Worte.
Neue Hotspots und mehr Infektionen in der Fläche: Deutschland schlingert wohl langsam in eine Entwicklung, die gemeinhin „zweite Welle“ genannt wird. Das beschäftigte am Donnerstagabend auch Maybrit Illner: Haben wir uns in den vergangenen Wochen ausreichend vorbereitet? So laute die Kernfrage der Runde.
Diskutierte wurde das Thema von Malu Dreyer (SPD), Karl-Josef Laumann (CDU), dem Virologen Jonas Schmidt-Chanasit und der Ärztin Ute Teichert sowie der Schulleiterin Heidrun Elbracht.
„Maybrit Illner“: Eine Bühne für die Politik – ohne wirkliche Kritiker
Malu Dreyer und Karl-Josef Laumann nutzten die Debatte, um die Politik weitgehend unwidersprochen von allen Vorwürfen zu entlasten. Die Testpanne in Bayern? Kann ja mal vorkommen. Die Lage an den Schulen? Insgesamt gut. Die Vorbereitung auf die zweite Welle? Erfolgt selbstverständlich, und zwar seit Wochen. So in etwa lautete die Verteidigungslinie der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin und des Gesundheitsministers von NRW.
Das kann man durchaus so sehen. Problematisch war aber, dass es in der Runde keine echten Kritiker gab. Selbst Ute Teichert, die die Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes vertritt, hatte keine Widerworte, sondern nur eine Erklärung zu liefern: Die Politik sei von dem Anstieg der Infektionszahlen überrascht, schließlich habe man damit erst für den Herbst gerechnet.
Umgang mit der „zweiten Welle“ – die Corona-Strategie funktioniert
Vielleicht sind Polemiken, etwa gegen die späte Teststrategie bei den Reiserückkehrern, auch tatsächlich überzogen. „Die Zahl der Neuinfektionen steigt relativ langsam“, sagte der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit von der Universität Hamburg. Das zeige, dass die Strategie insgesamt aufgehe. Lesen Sie auch: Corona: Zweite Welle? Diese Regeln könnten verschärft werden
Entsprechend entspannt gab sich Dreyer. Zwar müsse man den Anstieg ernstnehmen, Panik sei aber nicht angebracht, fasste die SPD-Politikerin zusammen. Die Situation sei ganz anders als im Frühjahr: Das Gesundheitssystem sei hochgerüstet, auch habe man gelernt, die Fälle zuverlässig nachzuverfolgen.
Noch ein Lockdown ist in Deutschland unwahrscheinlich
Interessant waren dazu auch die Ausführungen von Laumann. „Wenn wir damals das gewusst hätten, was wir heute wissen, hätten wir wahrscheinlich nicht so einen Lockdown gemacht“, räumte der CDU-Politiker ein. Noch mal werde das wahrscheinlich nicht passieren. Er habe im März beispielsweise nicht gewusst, wie viele freie Intensivbetten es in NRW gibt. Das habe sich geändert. Lesen Sie auch: Corona: RKI meldet neue Fallzahlen und Reproduktionszahl
Zugleich machte Laumann deutlich, warum die Politik damals so handelte. Man habe eine „Riesenangst“ gehabt, dass die Kapazitäten in den Krankenhäusern nicht reichen könnten. Dabei habe man die Bilder aus Italien vor Augen gehabt, wo Menschen am Ende aufgrund der Überlast nicht mehr behandelt werden konnten.
Das kontroverse Argument…
… kam an diesem Abend von Malu Dreyer. Sollten Corona-Tests für Reiserückkehrer aus Risikogebieten weiterhin umsonst sein? Die Ministerpräsidentin hat da, genauso wie Laumann, eine klare Haltung: „Wenn Menschen am Flughafen stehen und sagen ‚Ich fliege trotzdem nach Mallorca, auch wenn es Risikogebiet ist‘, dann ist das nicht vermittelbar, dass der Staat die Kosten für den Test übernimmt“, befand Dreyer. Eine durchaus plausible Haltung. Auch interessant: Mallorca: Rauchverbot in der Öffentlichkeit beschlossen
Das Fazit der aktuellen „Maybrit Illner“-Sendung
Diese Ausgabe von „Maybrit Illner“ war eine Bühne zur Entlastung der Politik. Das lag nicht so sehr an der Gastgeberin, die durchaus kritisch nachfragte. Allerdings dominierten Dreyer und Laumann die Runde – und hatten niemanden, der ihnen ernsthaft widersprach. Lesen Sie auch: Strenge Kontrollen: Die Corona-Bußgeldbilanz in Deutschland
Vielleicht wäre es dazu gut gewesen, die Schulleiterin Heidrun Elbracht nicht erst am Ende der Sendung in die Runde zu holen. Elbracht nämlich redete Tacheles: Die Klassenräume seien zu klein fürs Abstandhalten, die Maskenpflicht sei aufwändig umzusetzen – und bei der Entwicklung der Hygienepläne habe man kaum Unterstützung erhalten.
Ja, insgesamt läuft es solide mit Corona in Deutschland. Aber eben längst nicht sehr gut.