Berlin. Bei Markus Lanz sprach Fußballer Dennis Aogo über seine Rassismus-Erfahrungen. Sein Vater erlebte sogar am eigenen Leib Polizeigewalt.
„Der Rassismus ist nicht schlimmer geworden. Er wird jetzt nur mehr gefilmt.“ Das Zitat von Will Smith brachte auf den Punkt, was „Markus Lanz“ schon den zweiten Abend in Folge bewegte: Die Proteste in den USA und die Macht der Bilder.
„Was ist da los?“ Um die schlichte Frage brandaktuell aussehen zu lassen, war der USA-Korrespondent des ZDF, Elmar Theveßen, direkt zugeschaltet mit einem Update der aktuellen Ereignisse vor dem Weißen Haus: Etwa 300 Menschen demonstrierten gegen 17:40 Uhr Ortszeit in Washington DC, lautstark, aber friedlich.
Bis zum Abend sollten es wesentlich mehr werden, so die Erwartungen. Denn Bürgermeisterin Muriel Bowser hatte die nächtliche Ausgangssperre für den Bezirk ausgesetzt und gleichzeitig der Nationalgarde untersagt einzuschreiten.
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Karl Lauterbach bei Lanz: Trump könnte die Lage eskalieren lassen
Überall im Land gehen Menschen aller Hautfarben und gesellschaftlichen Schichten auf die Straße, um gemeinsam gegen Polizeigewalt zu demonstrieren. Leider war Will Smith selbst weder vor der Kamera in DC noch im Hamburger Studio anwesend, wo zur gleichen Zeit, aber mit sechs Stunden Differenz, vier Studiogäste die aktuellen Ereignisse im USA diskutierten.
Mit dabei – einmal wieder – Karl Lauterbach, der noch kurz vor der Sendung mit Freunden aus den USA telefoniert hatte: Die Politikwissenschaftler aus Harvard glaubten, Donald Trump hätte nun keine Chance mehr auf eine Wiederwahl im November.
Seine New Yorker Freunde hingegen, die laut Lauterbach den Präsidenten persönlich kennen, befürchten, dass er die Situation weiter eskalieren lässt und einen Verfassungsbruch riskiert, weil er nichts mehr zu verlieren hat. „Nur so kann er die weiße Akademiker-Schicht noch für sich gewinnen, glaubt er“, sagte der SPD-Politiker. Joe Biden dagegen kennt Polizeigewalt aus seiner Zeit als Vizepräsident. So geht Trumps Herausforderer mit der Krise um.
Markus-Lanz-Talk zu US-Protesten ist ziemlich trocken
Jenseits der düsteren Ahnungen des SPD-Politikers war es diesmal ein ziemlich trockener Lanz-Talk. Oder besser: Ein artiger Austausch persönlicher Erfahrungen mit Rassismus und Ausgrenzung in Deutschland. Das wiederum lag vor allem an den wenig inspirierenden Fragen des Moderators, die kaum über ein „Was fühlen Sie, was geht in Ihrem Kopf vor, wenn Sie diese Bilder sehen?“ hinausgingen.
Der Lanz-Talk am Dienstagabend stand ebenfalls in der Kritik – weil nur weiße Experten zu Gast waren und über Rassismus und Polizeigewalt in den USA sprachen.
Tod von George Floyd – Fotos der Unruhen
Natürlich sind es immer solche Bilder mit Symbolkraft, die die Beteiligten ebenso wie uns Zuschauer erschüttern. Zum Beispiel ein weiterer Einspieler über eine weitere illegale Polizeiaktion: Ohne ersichtlichen Grund werden zwei junge Schwarze von der Polizei aus dem Auto gezerrt und brutal geteasert. Der Vorfall geschah erst vor kurzem in Atlanta und belegte in diesem Lanz-Talk, dass die „Folterung von George Floyd“ kein Einzelfall war.
Schier fassungslos war Serap Güler, türkischstämmige NRW-Staatssekretärin für Integration, als sie das Video über den Angriff auf George Floyd zum ersten Mal gesehen hatte. „Es war nicht nur, dass der Mann am Boden wimmerte. Es war vor allem, dass der Polizist, der auf ihm kniete und ihm die Luft zum Atmen nahm, davon komplett unberührt blieb.“
Die Kaltblütigkeit dieser Aktion habe sie verstört und die gleichen Ängste ausgelöst, die sie als 13-Jährige nach dem Anschlag von Solingen 1993 verspürt habe: „Plötzlich fühlst du dich fremd und allein in dem Land, in dem du lebst.“
Dennis Aogo spricht über rassistische Erlebnisse
Profi-Fußballer Dennis Aogo, Sohn eines nigerianischen Vaters und einer deutschen Mutter, nahm das gleiche Video ganz anders wahr, obwohl nicht minder erschrocken: „Man projiziert sich selbst in das Bild, wenn man schwarzer Hautfarbe ist“, erklärte er die unterschiedliche Sicht.
Schon als Kind sei er in seiner Heimatstadt Karlsruhe immer wieder mit rassistischen Situationen konfrontiert worden. Deshalb seien „Affengeräusche von der Tribüne“, nichts wirklich Neues für ihn. „Man legt sich mit der Zeit ein dickes Fell zu.“
Dass aber seine blonde Frau in einem Restaurant abgewiesen wird, als sie mit der kleinen Tochter und der Nanny aus Ghana unterwegs war, habe ihn doch schon bestürzt.
Auch in Deutschland gibt es rassistisch motivierte Polizeigewalt
Dass das, was in Amerika gerade passiert, immer wieder als „Rassenunruhen“ bezeichnet wird, sei nicht richtig, betonte Hadija Haruna-Oelker. „Es ist rassistisch motivierte Polizeigewalt“, erklärte die afrodeutsche Politologin, die sich seit Jahren mit den Ursachen für Fremdenhass und Rassismus beschäftigt.
Auch in Deutschland gäbe es das, obwohl nicht in so großem Ausmaß wie in Amerika. Der Fall von Oury Jalloh, der 2005 unter bis heute ungeklärten Umständen in einer Dessauer Arrestzelle verbrannte, sei nur ein Beispiel. Aber sie könnte Dutzende Fälle von Polizeikontrollen nennen, die wegen rassistischer Vorurteile aus dem Ruder liefen. „Es ist ein strukturelles Problem.“
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Auch der Vater von Dennis Aogo wurde schon brutal in den Polizeigriff genommen, weil ein Polizist der Meinung war, er habe kein Recht sein Auto da zu parken, wo er wollte – vor seinem Haus. Eine schockierende Erfahrung für den Vater, der als freundlicher Mensch bekannt sei, perfekt Deutsch spreche und einen deutschen Personalausweis besitze. „Erst durch öffentlichen Druck wurde der Polizist suspendiert. Aber was machen Leute, die nicht so bekannt sind wie ich?“
Eine Frage der Nationalität
Dennoch, und das schälte sich bei der Diskussion am Ende doch deutlich heraus, ist in Deutschland nicht die Hautfarbe das Thema, das die Gemüter so extrem erhitzen kann wie in den USA, sondern die Frage der Nationalität.
„Wenn du dich als Türke in den USA einbürgern lässt, wirst du zum türkischen Amerikaner“, berichtete Serap Güler von einem Gespräch mit ihrem US-amerikanischen Amtskollegen. „Wenn du das Gleiche in Deutschland machst, wirst du nur als Türke mit deutschem Pass angesehen.“
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