Berlin. Andreas Hollstein wurde als Bürgermeister von Altena bei einem Messerangriff verletzt. Bei Markus Lanz erzählte er, was ihm Mut macht.

  • Der Angriff auf den Altenaer Bürgermeister Andreas Hollstein sorgte vor drei Jahren für Entsetzen in ganz Deutschland – bei Markus Lanz war Hollstein am Dienstagabend zu Gast
  • Der Politiker wurde damals auf der Straße mit einem Messer angegriffen
  • Und er ist kein Einzelfall: Immer häufiger werden Politiker angegriffen – zuletzt sorgten Drohungen und sogar Schüsse gegen den SPD-Politiker Karamba Diaby für Aufregung
  • Markus Lanz ist über die Strafe des Täters schockiert – und wird sogar laut

Drei Jahre ist es her, dass der Bürgermeister von Altena Opfer einer Messerattacke wurde. Bei „Lanz“ erzählt er von den Folgen. Und empörte den Moderator.

Was müssen sich Kommunalpolitiker alles bieten lassen? Viel, sagt Andreas Hollstein, Bürgermeister der westfälischen Stadt Altena. Und weil es so ist, hätte kaum einer die Nerven, so einen Job zu übernehmen. „Viele treten gar nicht mehr an. Aus Angst.“

Markus Lanz – Das waren die Gäste:

  • Andreas Hollstein, Politiker
  • Christoph Kreutzmüller, Historiker
  • Deborah Feldman, Schriftstellerin
  • Dr. Martin Stürmer, Virologe
  • Jan-Philipp Sendker, Autor

Hollstein (CDU) hat trotz der Erfahrung längst nicht den Glauben verloren, aber die Hoffnung schon ein bisschen, was das Personal angeht: Es fehle der „Nachwuchs“. Und Frauen fehlten auch. „Sexistische Bemerkungen“ plus Morddrohungen – das sei vielen zu viel. Kot an der Hauswand, gelöste Radmuttern am Auto, auch das sind Dinge, die keiner will.

Bürgermeister Andreas Hollstein berichtet bei Markus Lanz über Hass

Politiker Andreas Hollstein CDU Bürgermeister von Altena, wurde mit einem Messer angegriffen. Davon berichtete er bei Markus Lanz. (Archivfoto)
Politiker Andreas Hollstein CDU Bürgermeister von Altena, wurde mit einem Messer angegriffen. Davon berichtete er bei Markus Lanz. (Archivfoto) © imago/Horst Galuschka | Horst Galuschka

Ihn habe der Hass getroffen, weil er 100 Flüchtlinge mehr aufgenommen hat als vereinbart. Wie er von dem Tag des Angriffs im November 2017 erzählt, spürt man, wie sehr er um Normalität bemüht ist. Er sei an dem Abend aus dem Rathaus gekommen. Zu Hause gab es nichts zu essen. „Meine Frau war krank.“ Also ging er zu seinem Lieblingsdönerladen. Und da passierte es.

Attentate auf deutsche Politiker

Immer wieder erfolgen Angriffe auf Politiker. Mal lagen politische Motive zugrunde, mal waren die Täter psychisch gestört. Zuletzt attackierte ein offenbar alkoholisierter Mann den Bürgermeister von Altena, Andreas Hollstein (CDU).
Immer wieder erfolgen Angriffe auf Politiker. Mal lagen politische Motive zugrunde, mal waren die Täter psychisch gestört. Zuletzt attackierte ein offenbar alkoholisierter Mann den Bürgermeister von Altena, Andreas Hollstein (CDU). © dpa | Bernd Thissen
Laut Behörden ist die Tat politisch motiviert gewesen. Hollstein, der bei dem Messerangriff nicht lebensgefährlich verletzt wurde, gilt als besonders liberal in der Flüchtlingspolitik.
Laut Behörden ist die Tat politisch motiviert gewesen. Hollstein, der bei dem Messerangriff nicht lebensgefährlich verletzt wurde, gilt als besonders liberal in der Flüchtlingspolitik. © imago/Metodi Popow | imago stock&people
Auch die Bürgermeisterin von Köln, Henriette Reker, wird am 17. Okober 2015 mit einem Messer angegriffen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf verurteilte den Täter Frank S. später zu 14 Jahren Haft.
Auch die Bürgermeisterin von Köln, Henriette Reker, wird am 17. Okober 2015 mit einem Messer angegriffen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf verurteilte den Täter Frank S. später zu 14 Jahren Haft. © imago/Future Image | Christoph Hardt
Der 45-Jährige hatte Reker (parteilos) während ihres Wahlkampfes ein Jagdmesser in den Hals gerammt.
Der 45-Jährige hatte Reker (parteilos) während ihres Wahlkampfes ein Jagdmesser in den Hals gerammt. © imago/Horst Galuschka | Horst Galuschka
Ein geistig verwirrter Mann schießt bei einer Wahlkampfveranstaltung im badischen Oppenau im Oktober 1990 auf den Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU).
Ein geistig verwirrter Mann schießt bei einer Wahlkampfveranstaltung im badischen Oppenau im Oktober 1990 auf den Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU). © imago/sepp spiegl | imago stock&people
Der CDU-Politiker sitzt seitdem querschnittsgelähmt im Rollstuhl – das Attentat überlebte er nur knapp.
Der CDU-Politiker sitzt seitdem querschnittsgelähmt im Rollstuhl – das Attentat überlebte er nur knapp. © imago/Gustavo Alabiso | imago stock&people
Zwei Tage vor der Bundestagswahl im September 2002 schlägt ein Rechtsextremist dem Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele (Grüne) an einem Berliner Wahlstand mit einem Schlagstock auf den Kopf.
Zwei Tage vor der Bundestagswahl im September 2002 schlägt ein Rechtsextremist dem Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele (Grüne) an einem Berliner Wahlstand mit einem Schlagstock auf den Kopf. © REUTERS | Tobias Schwarz
Hans-Christian Ströbele erlitt damals Verletzungen am Kopf, die Polizei konnte den Täter festnehmen.
Hans-Christian Ströbele erlitt damals Verletzungen am Kopf, die Polizei konnte den Täter festnehmen. © imago/Future Image | imago stock&people
Während einer Debatte auf einem grünen Sonderparteitag in Bielefeld wird der Außenminister Joschka Fischer im Mai 1999 mit einem Farbbeutel beworfen. Er erleidet einen Trommelfellriss.
Während einer Debatte auf einem grünen Sonderparteitag in Bielefeld wird der Außenminister Joschka Fischer im Mai 1999 mit einem Farbbeutel beworfen. Er erleidet einen Trommelfellriss. © imago | Sven Simon
Der Farbbeutel-Werfer wollte damit gegen den Kosovo-Einsatz der Nato protestieren, den die Grünen billigten.
Der Farbbeutel-Werfer wollte damit gegen den Kosovo-Einsatz der Nato protestieren, den die Grünen billigten. © imago/Mauersberger | imago stock&people
In Berlin schlagen Vermummte den Regierenden Bürgermeister Walter Momper im August 1991 mit einem Holzknüppel und sprühen ihm Reizgas ins Gesicht.
In Berlin schlagen Vermummte den Regierenden Bürgermeister Walter Momper im August 1991 mit einem Holzknüppel und sprühen ihm Reizgas ins Gesicht. © imago/Rainer Unkel | imago stock&people
Zuvor hatte Momper gemeinsam mit seiner Frau eine Ausstellung besucht. Auf dem Rückweg schlugen die Täter zu. Die Narbe auf seiner Stirn erinnert nach wie vor an die Attacke der fünf Vermummten.
Zuvor hatte Momper gemeinsam mit seiner Frau eine Ausstellung besucht. Auf dem Rückweg schlugen die Täter zu. Die Narbe auf seiner Stirn erinnert nach wie vor an die Attacke der fünf Vermummten. © imago | Christian Schroth
Ein Unbekannter greift die Parlamentarierin Angelika Beer (Grüne) in Berlin im Juni 2000 mit einem Messer an und verletzt sie am Arm.
Ein Unbekannter greift die Parlamentarierin Angelika Beer (Grüne) in Berlin im Juni 2000 mit einem Messer an und verletzt sie am Arm. © imago | Sven Simon
Sie hatte zuvor mehrere Morddrohungen erhalten. Die Drohungen stammten vor allem aus der linksextremen Szene, weil Beer den Nato-Angriffen auf Jugoslawien zugestimmt hatte.
Sie hatte zuvor mehrere Morddrohungen erhalten. Die Drohungen stammten vor allem aus der linksextremen Szene, weil Beer den Nato-Angriffen auf Jugoslawien zugestimmt hatte. © imago/Christian Ditsch | imago stock&people
Eine geistig verwirrte Frau verletzt den Hamburger Justizsenator Roger Kusch (CDU) bei einem Wahlkampfauftritt im Februar 2004 mit einem Messer.
Eine geistig verwirrte Frau verletzt den Hamburger Justizsenator Roger Kusch (CDU) bei einem Wahlkampfauftritt im Februar 2004 mit einem Messer. © imago stock&people | imago stock&people
Die Frau ging mit den Worten „Du schwule Sau“ auf den Politiker zu und griff ihn mit einem Klappmesser an. Später kam sie in die Psychiatrie.
Die Frau ging mit den Worten „Du schwule Sau“ auf den Politiker zu und griff ihn mit einem Klappmesser an. Später kam sie in die Psychiatrie. © imago | Sven Simon
Eine ebenfalls geistig verwirrte Frau greift den damaligen saarländischen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine und Kanzlerkandidaten (damals SPD) im April 1990 auf einer Wahlkampfveranstaltung in Köln mit einem Messer an.
Eine ebenfalls geistig verwirrte Frau greift den damaligen saarländischen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine und Kanzlerkandidaten (damals SPD) im April 1990 auf einer Wahlkampfveranstaltung in Köln mit einem Messer an. © imago/Becker&Bredel | BeckerBredel
Sie verletzt ihn lebensgefährlich und verfehlte die Halsschlagader nur knapp. Mehr als 25 Jahre später ist die Attentäterin Adelheid S. wieder aus der Psychiatrie entlassen und auf freiem Fuß.
Sie verletzt ihn lebensgefährlich und verfehlte die Halsschlagader nur knapp. Mehr als 25 Jahre später ist die Attentäterin Adelheid S. wieder aus der Psychiatrie entlassen und auf freiem Fuß. © dpa Picture-Alliance / DB
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Ein Mann rief: „Du lässt mich verdursten und holst Flüchtlinge ins Land.“ Und dann spürte er, wie die Klinge in seinen Hals eindrang. Er war geschockt, aber er hat es überstanden. Er wollte nur eins nicht: bloß keine Opferrolle! „Ich wollte mich wehren!“

Was Lanz aus der Fassung brachte, war die juristische Aufarbeitung: Dass der Täter nur eine zweijährige Haftstrafe auf Bewährung erhielt, empörte den Moderator geradezu. Ob es denn nicht um Mordversuch oder um Tötungsabsicht gegangen sei?

Markus Lanz ist schockiert von juristischer Aufarbeitung nach Messerangriff

Hollstein, selbst Jurist: „Die Tötungsabsicht konnte man ihm nicht nachweisen.“ Das Messer sei als Selbstschutz interpretiert worden. Er zieht Parallelen zum Fall der Grünen-Politikerin Renate Künast, die obzönste Beschimpfungen ertragen musste, ohne dass es in erster Instanz als Beleidigung galt. Doch schlimmer als der einzelne Angreifer seien für ihn ganz andere: diejenigen, die die Hasskommentare verfassen.

Allein im Dezember 2017 waren es in den Sozialen Medien 8000 Hassreden, die von der Staatsanwaltschaft untersucht wurden, so Hollstein. 37 Verfahren wurden eingeleitet. Verurteilungen allerdings gab es keine. Schon damals war die Tendenz abzusehen: Es gibt immer mehr Gewalt gegen Kommunalpolitiker, aber was wirkt sofort?

Lanz geht es um mehr

Lanz wird laut: „Null Verurteilung? Bei 8000 Hasskommentaren?“ Das sei für ihn ein Skandal. Als Hollstein die Aufregung eindämmen will, weil ihm gerade noch mal der schöne Anruf der Kanzlerin am Tag nach dem Messerangriff durch den Kopf geht, würgt Lanz ihn ab.

Ja, die Kanzlerin könne sowas. Aber ihm, Lanz, geht es um mehr. Um Verantwortung für diese Hasskommentare. Man müsse sich doch eins klar machen: „Das Geschäftsmodell von Facebook ist Polarisierung.“ Im vergangenen Jahr hatte Facebook angekündigt, die Regeln für Politiker im Wahlkampf zu lockern. Ihre Posts werden keinem Faktencheck mehr unterzogen – Kritiker fürchten, dass dadurch noch mehr Polarisierung möglich werde.

Andreas Hollstein, der sich für das Amt des Bürgermeisters von Dortmund bewirbt, will am Ende das Gute sehen. Ihm habe eins Kraft gegeben: dass ihn Hunderte Menschen unterstützt hätten. Die Mehrheit der Menschen befinde sich eben doch noch in der Mitte der Gesellschaft, sagt Andreas Hollstein.

Markus Lanz – Ganze Folgen in der ZDF-Mediathek

Hier geht es zur aktuellen Ausgabe von „Markus Lanz“ in der ZDF-Mediathek.