Berlin. Verkehrsminister Andreas Scheuer steht wegen der gescheiterten Maut in der Kritik. Bei Markus Lanz erklärte er, wie er damit umgeht.
- Deutschland hat sich mit den Planungen für die Pkw-Maut ordentlich blamiert
- Bei Markus Lanz war mit Andreas Scheuer ein Minister zu Gast, der für die Blamage verantwortlich gemacht wird
- In dem ZDF-Talk wurde Andreas Scheuer von Lanz unter Beschuss genommen – und regelrecht mit Fragen bombardiert
- Doch Scheuer will keine Verantwortung für das Maut-Debakel übernehmen
- Eine Journalistin kann das in der Runde bei Lanz nicht akzeptieren: Ihr platzt regelrecht der Kragen, als sie die Antworten des Verkehrsministers hört
Er fühlt sich wohl im Bundeskabinett. Die Stimmung sei „völlig in Ordnung“ und „kollegial“. Er windet sich zwar aus einer konkreten Antwort heraus, aber es wird schnell klar: Andreas Scheuer (CSU) möchte eigentlich nicht aus dem Amt des Bundesministers für Verkehr ausscheiden. Dass sein Parteichef Markus Söder vielleicht aber genau das im Sinn hat, möchte Scheuer nicht kommentieren.
Bei Markus Lanz stellt sich der CSU-Politiker einem ziemlich gut vorbereiteten Moderator, der penibel darauf achtet, wenn Scheuer eine Antwort schuldig bleibt. Und das tut er zuhauf. Dabei weiß er selbst, dass er der Öffentlichkeit einige Erklärungen liefern muss: „Ich bin in der Bringschuld, habe aber auch gute Argumente“, sagt er zu Lanz.
Markus Lanz – Das waren die Gäste:
- Andreas Scheuer, Bundesverkehrsminister und CSU-Politiker
- Helene Bubrowski, Journalistin
- Ranga Yogeshwar, Moderator und Wissenschaftsjournalist
- Peter Wohlleben, Autor und Förster, Bestseller „Das geheime Leben der Bäume“
Bundesverkehrsminister Scheuer übernimmt bei Lanz keine Verantwortung für Maut-Debakel
Klar, er müsse den Bürgern erklären, warum er das Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Maut anders erwartet hatte und die Verträge mit den Maut-Betreibern Monate vorher unterzeichnet hatte. Weshalb er der Meinung ist, dass Deutschland die Schadensersatzforderungen der Vertragspartner nicht zahlen muss. Scheuer weiß, wie er die Erwartungen des Publikums hochhält.
Doch ebenso gut weiß er sie zu enttäuschen: entweder mit einsilbigen Antworten oder ausführlichsten behördendeutschen Erläuterungen zur Genese des Mautprojekts. Außerdem ist der zuständige Minister sich keiner Schuld am teuren Platzen der Betreiberverträge bewusst: Immerhin seien die Verträge damals ja auch von anderen Ministerien unterzeichnet worden, die Pkw-Maut schon Jahre in Vorbereitung gewesen. So hoch ist der Schaden durch die Maut-Pleite.
Der Grund dafür, dass das CSU-Prestigeprojekt im Juni 2019 den Bach runterging, ist laut Scheuer simpel: „Ich und der Europäische Gerichtshof haben einfach unterschiedliche juristische Auffassungen.“ Das Gleiche gilt wohl auch für das anstehende Schiedsgerichtsverfahren gegen die Betreiberfirmen Kapsch und CTS Eventim.
Andreas Scheuer zu Pkw-Maut: „Ich habe keine Fehler gemacht“
Bei solchen leichtsinnigen Aussagen platzt „FAZ“-Redakteurin Helene Bubrowski sichtlich der Kragen: „Sie haben gespielt, hoch gepokert und sie haben verloren“, meint die Journalistin und wirft Scheuer weiter vor, verantwortungslos gehandelt zu haben. Schließlich ist bis heute ungeklärt, warum die Verträge mit den Mautbetreibern unbedingt vor dem EuGH-Urteil unterzeichnet werden mussten.
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Pkw-Maut-Debakel – was war passiert?
- Deutschland wollte eine Pkw-Maut nur für Ausländer einführen: Milliardeneinnahmen wurden erwartet
- Einheimische Autofahrer sollten sich die Abgabe über die Pkw-Steuer zurückholen
- Doch das Vorhaben sorgte seit Bekanntgabe der Planungen für viel Kritik – vor allem in Österreich war man über die Idee aus Deutschland alles andere als glücklich
- Das Nachbarland klagte – und erhielt vor dem Europäischen Gerichtshof im Juni 2018 Recht
- Die Pkw-Maut kommt nicht: Der Schaden liegt bei Hunderten Millionen Euro
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Hätte man nicht einfach vier bis sechs Monate ausharren können? „Warum die Eile?“, fragt Lanz seinen Gast. Der leugnet, dass man im Ministerium auf die Tube gedrückt habe. „Es gab die Abstimmung im Bundestag, im Haushalt wurde Geld bereitgestellt. Dann ist es auch die verdammte Pflicht eines Ministers, das umzusetzen“, sagt Scheuer.
Ob man mit dem Abschluss der Verträge nicht die paar Monate hätte warten können, bis man Rechtssicherheit hätte, beantwortet er damit nicht. Der Politiker bleibt dabei: Er habe nichts falsch gemacht.
Die Antwort frustriert. Nicht nur den Moderator, der wohl auf ein Schuldeingeständnis in seiner Sendung gehofft hatte, sondern auch Helene Bubrowski, die Scheuer angesichts seiner Umfragewerte zu letzterem geraten hätte: „Ich dachte, Sie nutzen heute zumindest einmal hier in der Öffentlichkeit die Möglichkeit zu sagen, dass sie einen Fehler gemacht haben.“
Journalistin Bubrowski zu Scheuer: „Jeder wusste, dass die Maut ein heikles Projekt ist“
Stattdessen redet sich Scheuer weiter um Kopf und Kragen. Eines muss man ihm lassen: Es gehört eine gesunde Portion Selbstbewusstsein dazu, ein solches Desaster wie die Pkw-Maut weiterhin mit voller Inbrunst zu verteidigen und sich im Fernsehen live selbst zu zerlegen.
Ein Eingeständnis kann Lanz abstauben: „In der Politik hat man auch mal harte Zeiten und bei mir ist es halt nun die Maut und der Untersuchungsausschuss“, gibt Scheuer zu. Zum Jahreswechsel habe er sich auch damit beschäftigt, ob er zurücktreten sollte. Das Ergebnis dieser Überlegung: „Nein.“ Der Kampf um die politische Zukunft von Andreas Scheuer ist damit noch nicht vorbei.
Der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar erinnert ihn daran, dass er für die harte Zeit selbst verantwortlich ist: „Ich glaube, der größte Teil der Zuschauer weiß noch, wie das zustande gekommen ist. Es war ein Projekt aus Bayern mit der Betonung auf Ausländer-Maut.“ Bubrowski ergänzt: „Jeder wusste, dass das heikel ist. Wer ein bisschen die Rechtsprechung des EuGH verfolgt, weiß, dass die seit jeher ganz konsequent gegen alle Diskriminierungen des Binnenmarkts vorgehen.“ Kurzum: Der Bundesverkehrsminister hätte es besser wissen müssen.
Markus Lanz – Mehr zum Thema:
Am Mittwoch konnte Markus Lanz einer Politikerin übrigens mehr entlocken – nicht zu ihrem Nachteil. Beim Thema Organspende verpasste Lanz einer FDP-Politikerin eine verbale Ohrfeige. Doch nicht immer helfen emotionale Ansprachen in dem ZDF-Talk. Dass Lanz emotional wurde half beispielsweise einem Nahost-Talk nicht.
Markus Lanz: Ganze Folgen in der Mediathek anschauen
Hier geht es zur aktuellen Ausgabe von „Markus Lanz“ in der ZDF-Mediathek.