Berlin. . Die Netflix-Serie „Die letzten Zaren“ erzählt den Untergang der Romanow-Dynastie mit fiktiven Spielszenen und dokumentarischen Einschüben.

Anfang des Jahres debattierte die Filmwelt darüber, ob Netflix-Produktionen künftig Oscars erhalten dürfen. Unter anderem Steven Spielberg merkte an, dass Netflix kein Kino und daher für TV-Preise wie die Emmys prädestiniert sei. Tatsächlich enthält das Portfolio des Streaming-Anbieters neben eingekauften Kinofilmen und Eigenproduktionen in Spielfilmlänge vor allem klassische TV-Formate wie Serien, Dokus und Comedy-Shows.

Die aktuelle Netflix-Serie „Die letzten Zaren“ zeigt die enge Verwandtschaft auf. Schon der Aufbau der sechsteiligen Serie erinnert an typische TV-Beiträge: Zwischen Spielfilmszenen, die das blutige Ende der russischen Zarenherrschaft nachstellen, erläutern Doku-Passagen den historischen Kontext. Mit der heute meist ausgefeilten Dramaturgie von Serien hat das Abhaken relevanter Stationen kaum etwas zu tun. Weil das Doku-Drama die Historie aber auf eingängig-unterhaltsame Weise vermittelt, entsteht dennoch eine gewisse Sogwirkung.

Zerfallende Herrschaft

Als Nikolaus II. 1894 zum Zar gekrönt wurde, war er erst 26 Jahre alt. Mit seiner deutschen Gemahlin Alexandra Fjodorowna zeugte der Herrscher vier Töchter und schließlich auch den ersehnten Thronfolger Alexej, der an der Blutgerinnungskrankheit Hämophilie litt. Der Wunderheiler Grigori Rasputin konnte dem „Bluter“ helfen, was ihm das Vertrauen – und womöglich mehr als das – der Zarin einbrachte. Ein weiterer Handlungsstrang spielt im Berlin des Jahres 1918, als die Bolschewiki die Familie Romanow längst ermordet hatten. Der ehemalige Romanow-Hauslehrer Monsieur Gilliard wird auf eine Frau mit Amnesie aufmerksam, bei der es sich um die Zarentochter Anastasia handeln könnte ...

Die Erzählstränge um die Zarenfamilie und Rasputin verlaufen erst parallel, bis die Adligen und der pilgernde Charismat aufeinandertreffen. Dazwischen erläutern klassisch arrangierte Experten-Interviews und Archivbilder die Hintergründe. Nikolaus’ Krönung fiel in die Zeit der Industriellen Revolution und stand von Beginn an unter keinem guten Stern. Die sozialen Verwerfungen der Moderne kündigten das Ende der 300-jährigen Romanow-Herrschaft und die russische Revolution an.

Klassisch arrangiert

Was die Machart angeht, weicht der sonst so hohe Produktionsstandard von Netflix einer schlichteren Variante. Die Spielszenen warten mit akkuraten Kostümen und Accessoires, den entsprechenden Schauplätzen und einem gut besetzten Cast auf. Aller Kameraflüge über die russische Landschaft zum Trotz wirken die von getragener Musik unterlegten Bilder insgesamt eher simpel. Überzeugend ist hingegen die schwermütige Stimmung, die wie ein Schleier über der Handlung liegt. Wer nicht weiß, wie es mit den Romanows endete, wird zum Auftakt und in eingestreuten Schnipseln immer wieder an die Bluttat erinnert. Die Hoffnung auf einen guten Ausgang stirbt schon am Anfang.

Die letzten Zaren
Sechs Episoden, je 45 Min, ab 3. Juli, Online­streaming, Netflix, Wertung: 3 / 5 Punkten.