Essen. Tragisch: Der erste "Polizeiruf" (So., ARD, 20.15 Uhr) war auch sein letzter. Schauspieler Jörg Hube starb kurz nach den Dreharbeiten. Sein Auftritt wird aber bestimmt Spuren hinterlassen: Dieser herausragende "Polizeiruf" zwingt den Zuschauer, seine Einstellung zur Bundeswehr zu überdenken.

Gleich der erste Satz in „Polizeiruf 110: Klick gemacht” hat seine eigene Dramatik. „Ich bin als Zwischenlösung geplant”, sagt da Jörg Hube als Kriminalhauptkommissar Friedrich Papen, „aber ich will zum Dauerzustand werden.” Hube bleibt dieser Wunsch versagt: Im Juni diesen Jahres erlag der Schauspieler und Kabarettist einem Krebsleiden.

Der informierte Zuschauer weiß das vermutlich, der Bayerische Rundfunk offenbar nicht. Das kürzlich zugesandte Presseheft jedenfalls enthält zwar ein Interview mit Hube, nirgends aber einen Hinweis auf seinen Tod. Dabei ist der Nachfolger des Edgar-Selge-Nachfolgers in Gestalt von Matthias Brandt längst bestellt. Man darf das ruhig geschmacklos finden.

Ein alter Bär von einem Kerl

Hubes singulärer Auftritt jedenfalls wird Spuren hinterlassen. So wie er da auftaucht, ein alter Bär von einem Kerl, zeigt er den künftigen Mitarbeitern gleich, wie groß sein Einfühlungsvermögen in Verdächtige und Inhaftierte ist: Wo andere mit lautem Schreien nicht weiterkommen, da wirkt seine beruhigende Art und sein warmes Timbre wahre Wunder. Der alte Herr jedenfalls, der immer noch behauptet, Einbrecher hätten seine Frau auf dem Gewissen, gesteht da unumwunden, dass es am Ende doch der Gnadentod für eine Todkranke war.

Der eigentliche Fall aber nimmt seinen Anfang in Afghanistan, wo ein Bundeswehr-Konvoi in eine Minenfalle gerät und drei Soldaten ihr Leben lassen müssen. Die Südroute sei sicher, wurde den zweifelnden Soldaten vom Vorgesetzten per Funk mitgeteilt. Worauf sie zu den Klängen des sanften Oldies „Mr. Sandman” in das Verhängnis steuern. Der Vorfall hat Folgen in der Heimat: Oberleutnant Darkow, der damals den Marschbefehl ins Verderben gab, wird von der Haustür weg entführt. Man schleppt ihn in einen Wald und stellt ihn dort auf eine Kontaktmine. Kein Lösegeld wird erwartet, nur das Geständnis seiner Schuld und seiner Beweggründe. Etwa acht Stunden kann ein Mensch auf der Stelle still stehen, dann droht die Explosion.

Stadien der Todesangst

Drehbuchautor Christian Jeltsch und Regisseur Stephan Wagner („In Sachen Kaminski”) machen keinen Hehl aus ihrer Einstellung zur „Friedensmission” der Bundeswehr fern der Heimat. Dem Zuschauer bleibt nicht der Blick auf einen sterbenden, förmlich aufgerissenen deutschen Soldaten erspart, er wird mit einer Witwe konfrontiert, die aus den Briefen ihres Mannes zitiert: „Tod, Frust und Drogen, niemand erzählt die Wahrheit über Kundus, bevor die Neulinge hingeschickt werden”.

Inzwischen aber steht ein Männlein im Walde, wagt sich nicht zu rühren und schreit sich die Seele aus dem Leib. Dirk Borchardt als Darkow zeigt uns beeindruckend alle Stadien der Todesangst, die immer größer wird, je stärker die Krämpfe im Bein sich bemerkbar machen.

Ein unbequemer Abend mit einem herausragenden "Polizeiruf"

Kommissar Papen lernt den Ehrenkodex des Heeres hautnah kennen. Ulrike Steiger (Stefanie Stappenbeck), ihres Zeichens Hauptmann und Tochter eines prinzipientreuen Oberst, kann Ironie in Bezug auf die Truppe und den „Friedensauftrag” absolut nicht vertragen. Sie aber soll dem erklärten Pazifisten Papen als Verbindungsoffizier dienen. Wenn die Schleier sich gegen Ende mehr und mehr lüften, wird sie die Uniform ausziehen und Papen bitten, an seiner Seite bei der Kripo arbeiten zu dürfen.

Es ist ein unbequemer Abend, den man vor diesem herausragenden „Polizeiruf” verbringt. Es ist ein Film, der den Zuschauer zwingt, seine Einstellung zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr zu überprüfen, die unser Verteidigungsminister künftig als normalen Job betrachten will.