Berlin. Carsten Maschmeyer kämpft in der „Höhle der Löwen“ um die Gunst der Gründer. Er verrät, was Zuschauer in der neuen Staffel erwartet.
Carsten Maschmeyer ist das wohl bekannteste Gesicht unter den Juroren in der Gründer-Show „Die Höhle der Löwen“. Im Interview erklärt der Finanzexperte, warum er mit dem eigenen Gesicht in früheren Ausgaben der Show gehadert hat. Zudem erklärt Maschmeyer, woran Zuschauer merken, dass er Interesse an einem Gründer-Team hat und was er heute zu seiner abgesetzten Gründer-Show auf Sat.1 sagt.
Herr Maschmeyer, wie haben Sie sich auf die neue Staffel vorbereitet? Kann man sich auf so viele Gründer überhaupt vorbereiten?
Carsten Maschmeyer: Auf die Gründer können wir uns nicht vorbereiten, weil wir als Jury im Vorfeld nicht wissen, wer sich in der Show präsentiert. Man bekommt mit der Zeit aber ein gutes Gespür für die Menschen. Pro Staffel sehen wir als Jury etwa 70 bis 80 Gründer-Teams. Wenn man dann wie ich schon bei drei Staffeln mit dabei war, hat man insgesamt über 200 Gründer-Teams gesehen. Am Anfang war alles neu für mich: Beim ersten Pitch, den ich als Löwe bewertet habe, waren auf einmal zehn Kameras auf mich gerichtet. Und einer meiner Gedanken war: Wie wirke ich auf die Zuschauer? Das hat mich zu Beginn sehr steif rübergekommen lassen, einige Zuschauer haben – wie in sozialen Netzwerken üblich – diese ersten Shows auch sehr kritisch kommentiert: „Der ist ja operiert, der hat gar keine Falten mehr“. Das war natürlich Unsinn, richtig war: In der ersten Staffel (2016) habe ich zu wenige Emotionen gezeigt und war bei den Aufnahmen viel zu stark geschminkt. Beides habe ich geändert.
Was muss ein Gründer mitbringen, damit Sie investieren?
Maschmeyer: Der Gründer muss für seine Idee brennen. Und es muss eine Sympathie für den Gründer da sein. Ich stelle mir bei einem Pitch immer die Frage: „Gefallen mir die Jungunternehmer? Will ich morgen früh nach dem Aufstehen sofort zu einem Meeting mit dieser Person bzw. dem Team gehen?“ Zudem: Das Produkt muss eine echte Erfindung sein – etwas Neues, das es so bisher noch nicht gab.
Gibt es denn auch ein absolutes No-Go bei einem Pitch?
Maschmeyer: Ja: Wir hören in „Die Höhle der Löwen“ ja schon relativ früh eine Forderung der Gründer, in der sie sagen, wie viel Geld sie brauchen und wie viel Firmenanteile sie bereit sind abzugeben. Wenn aber eine völlig abwegige hohe Bewertung aufgerufen wird und die Gründer dann bei Nachfragen auch noch arrogant auftreten und ihre Begründungen nicht stichhaltig sind, dann gehe ich sehr schnell raus. Das kann gelegentlich auch bedeuten, dass ich schon nach wenigen Minuten aussteige.
Sie waren mit Ihrer eigenen Gründer-Show „Start Up!“ auf Sat.1 sehr präsent in der Öffentlichkeit. Ist das ein Wettbewerbsvorteil gegenüber den anderen Löwen?
Maschmeyer: Nein, die Gründer in „Die Höhle der Löwen“ haben sich schon vor ihrem Auftritt eng vernetzt und tauschen sich vorher untereinander aus. Die Gründer fragen konkret andere Unternehmer, wo ein Löwe bereits investiert hat. Zum Beispiel bei mir: „Ist der Maschmeyer immer erreichbar? Wie stark bringt er sich wirklich ein?“ Und viele Gründer wissen schon im Vorfeld, welcher Investor mit seinem persönlichen Netzwerk und seinem individuellen Stärken die Bedürfnisse des Start-ups abdeckt.
Ist der Wettbewerb unter den Investoren größer geworden?
Maschmeyer: Ja, und diese neue Intensität des Wettbewerbs der Löwen untereinander um die besten Gründer und die überzeugendsten Geschäftsideen wird man – ohne vorab zu viel zu verraten – in der neuen Staffel auch sehr intensiv sehen. Weil die Start-ups besser geworden sind, ist quasi die Beute für die Löwen attraktiver geworden. Und dann will jede Löwin bzw. jeder Löwe seine Vorteile besonders hervorheben und mitunter weniger Anteile verlangen als die Mitbietenden. Es kann also gut sein, dass wir uns bei einem Pitch intensiv um einen Gründer streiten – und dann beim nächsten Pitch wieder gemeinsam einen Deal machen, denn untereinander haben wir Juroren ein super Verhältnis.
Ärgern Sie sich, wenn ein anderer Löwe bei einem Produkt zum Zuge kommt, in das Sie auch gern investieren wollten?
Maschmeyer: Natürlich ist es schade, wenn man geboten hat, sich die Gründer aber für einen anderen Investor entschieden haben. Aber für die Gründer ist es meistens gut. Denn sie haben sich bewusst für den Investor entschieden, der ihnen für ihre Anforderungen den meisten Nutzen bringt und maßgeschneidert die beste Hilfe bietet.
In den vergangenen Staffeln gab es Kritik daran, dass viele Produkte schon serienreif vorgestellt wurden. Können Sie die Kritik nachvollziehen?
Maschmeyer: Ein bisschen schon, auch wenn ich ausgereifte Produkte oder fertige Geschäftsmodelle bevorzuge. Denn so kann ich mir wesentlich schneller einer Vorstellung über die Marktchancen und Erfolgsaussichten machen. Bei einem ersten Prototyp aus dem 3-D-Drucker, den ein Gründer mitbringt, habe ich diese Möglichkeit noch nicht richtig. Gut bei einem weniger weit entwickelten Produkt ist, dass man in diesem Fall viel mehr mitgestalten kann und die Höhe der Firmenbewertung oft noch deutlich niedriger ist.
„Die Höhle der Löwen“: das sind die Investoren
Ihre eigene Sendung „Start Up!“ wurde nicht bis zum Ende im Fernsehen ausgestrahlt. Haben Sie daraus etwas für die Arbeit in der „Höhle der Löwen“ gelernt?
Maschmeyer: Ich sehe meinen Lebensweg von ständigem Lernen begleitet. Ich bin Sony und Sat.1 dankbar für die Möglichkeit, „Start Up!“ als sehr detaillierte Gründer-Sendung zu machen. Wir haben uns aber verschätzt: Wer abends nach Hause kommt und beim Fernsehen entspannen möchte, will nicht im Detail sehen, wie Professoren und Logo-Designer von Grund auf an einem Produkt feilen. Es war auch nicht entertainig genug, zum Beispiel sind doch fünf Investoren viel aufregender. Kurz gesagt: Es gibt nur eine „Höhle der Löwen“. Hier ist der Wettbewerb viel spannender und die Gründer sind auch mit ihren Ideen schon weiter. Der Zuschauer kann bei „Die Höhle der Löwen“ meist schon während der Sendung parallel auf dem Tablet oder Laptop das Produkt in verschiedenen Varianten anschauen; dann ist alles viel nachvollziehbarer und auch interessanter.
In der vergangenen Staffel sind bei Ihnen kaum Deals nach der Ausstrahlung einer Folge gescheitert. Wie wichtig ist Ihnen Verlässlichkeit?
Maschmeyer: Ich habe noch nie einen Deal von meiner Seite aus platzen lassen. Es kann aber vorkommen, dass erst nach der Ausstrahlung klar wird, dass ein angebliches weltweites Patent sich nur als beantragtes Gebrauchsmuster herausstellt. Oder dass das junge Unternehmen schon sehr hohe Schulden hat, die verschwiegen wurden. Manchmal stimmen auch die Umsatzzahlen überhaupt nicht. Dann muss man die Notbremse ziehen. Oder in einem anderen Fall, in dem die Gründer zuvor eine Crowdfunding-Kampagne durchgeführt hatten, bei der sich die Mikroinvestoren drei Prozent des Umsatzes als Rendite haben zusichern lassen. Stellen Sie sich vor, das Unternehmen macht 10 Millionen Euro Umsatz, aber nur 100.000 Euro Gewinn. Der Gründer müsste also sogar noch draufzahlen, um die Investoren bedienen zu können. In dem Fall sind die Aufnahmemöglichkeiten weiterer Geldgeber denkbar ungünstig.
Wie lange brauchen Sie, um sich für ein Investment zu entscheiden?
Maschmeyer: Da gibt es bei mir zwei Phasen. Zunächst höre ich erstmal den Ausführungen der Erfinder zu und frage mich selbst: Wie überzeugend sind die Gründer? Wie bahnbrechend ist die Innovation? Würde ich das Produkt selber nutzen? Wenn ich danach Interesse habe, stelle ich den Gründern in der zweiten Phase viele Detailfragen, beispielsweise: Gibt es Schulden? Wer hat schon investiert? Lassen sich Produktionskosten anpassen? Sind weitere Produktideen in Planung? Wie und wo soll der Vertrieb stattfinden?
Wenn Carsten Maschmeyer also Fragen stellt, wissen Zuschauer und Gründer, dass er ein Angebot abgeben wird?
Maschmeyer: Wer nur wenige Fragen stellt, hat meist geringes Interesse. Umgekehrt zeugen viele Fragen von hohem Interesse. Wer sich ein Auto kauft, der will ja auch Hintergrundinformationen dazu haben, bevor er bezahlt. In „Die Höhle der Löwen“ geht es ja um viel höhere Summen und ein Start-up kann man eben nicht am nächsten Tag auf dem Gebrauchtmarkt weiterverkaufen.