Köln. „Schmidt hat das Potenzial”, sagt TV-Produzent Jacky Dreksler, der „Vater der deutschen Late-Night”. Aber das Format der nächsten Show von Harald Schmidt, die Donnerstag im Ersten startet, stimme nicht: Es kopiere zu sehr das amerikanische Original
„Ich würde mich riesig freuen, wenn wir außer Stefan Raab noch eine zweite Late Night im Fernsehen hinkriegen würden. Ich bin schließlich ein Nachtmensch.” TV-Produzent Jacky Dreksler, der 1995 die erste Nachtshow für RTL produzierte, ist skeptisch, ob das System Schmidt funktionieren kann. Der Mann weiß, wovon er spricht. Schließlich wurde seine Show, die durchschnittlich 1,4 Millionen Menschen sehen wollten, wegen des zu geringen kommerziellen Erfolgs 1996 eingestellt.
Klassische Late Night nach amerikanischem Vorbild
Wenn „Dirty Harry” Harald Schmidt, ARD, 22.45 Uhr auf den Bildschirm zurückkehrt, unterstellt Dreksler dem subversiven Entertainer zwar das Potenzial, genügend Zuschauer vor den Fernseher locken zu können. Doch die inhaltliche Ausrichtung der Show bleibe falsch. Der Sender verspricht eine „klassische Late Night nach amerikanischem Vorbild”.
„Eine Kopie 1:1 funktioniert nicht”, hat Dreksler schmerzhaft selber erfahren. Bei einem errechneten Zuschauerpotenzial von sechs Millionen Menschen um 23 Uhr, reichten die magischen 1,4 Millionen – die Schmidt bisher durchschnittlich ebenfalls vor dem Fernseher versammelte – nicht. Es sei denn, man leiste sich Schmidt als Imagekampagne.
Vorbilder: Letterman, Leno und Larry King
Zwar hat Schmidt, ähnlich wie die amerikanischen Vorbilder Larry King, Jay Leno David Letterman & Co, Kultstatus. Dennoch müsse man die Show dem deutschen Markt anpassen. Dazu gehöre Mut, ein paar analytische Ideen und der Wunsch, den Mainstream zu verlassen. „In Gefahr und höchster Not bringt der Mittelweg den Tod”, zitiert Dreksler den Barockdichter Friedrich Freiherr von Logen.
Konkret geht er auf die Musik ein. In Amerika, erzählt der Mann, der einen Großteil seiner Kindheit in den Staaten verbracht hat, spielen Live-Konzerte eine ganz andere Rolle. In den USA gebe es in jeder noch so kleinen Stadt in vielen Bars Live-Musik. Fast täglich. Das habe eine andere Tradition als bei uns. Von daher wirke die Fernsehband hier auch anders. „Die Musiker stehen auf der Bühne rum und machen Jingles. Das könnte man kostengünstiger auch aus der Konserve haben.” Was Helmut Zerlett für Schmidt war Tom Schlüter für Dreksler. „Na klar”, gesteht er, „die Band gehört zur großen Produktionsfamilie. Sie wird übernommen, weil man glaubt, sie gehört zum Konzept”. Dabei trage auch gerade die unterschiedliche Musikrezeption im Vergleich zu Amerika dazu bei, dass Late Night in Deutschland nicht zum „langsamen wellenförmigen Abgleiten aus dem Tag” beitrage, sondern eher krachig und aufputschend daherkomme.