Essen. "Was haben Sie mit Deutschland vor, Frau Merkel?" Das wollte ZDF-Moderatorin Maybrit Illner von Bundeskanzlerin Angela Merkel wissen und lud sie in ihre Sendung ein. Die Kanzlerin präsentierte sich unerwartet souverän, manchmal sogar charmant.

Natürlich wäre sie Lokführer, wenn sie sich einen Posten in Horst Seehofers Modelleisenbahn-Landschaft aussuchen dürfte. Das bleibt beim Zuschauer hängen. Und auch, dass die Kanzlerin das Land souverän durch die Krise manövrieren wird, wie sie sagt. Jedenfalls präsentiert sich Angela Merkel in Maybrit Illners Talkshow selbstsicher und dabei sympathisch - was man von ihr nicht unbedingt erwartet hätte.

Zu Beginn der Sendung wirkt die Kanzlerin auch durchaus ein wenig nervös. Verhaspelt sich, findet kaum starke Worte wenn sie die Auswirkungen der Wirtschaftskrise in Deutschland als "fast ein bisschen dramatisch" bezeichnet. Die Ruhe verliert sie trotz des steifen Auftakts nicht - und kommt im Lauf der Sendung dann sogar richtig in Fahrt.

Kein Geld, sondern Antworten

Die Gastgeberin scherzt, heute Abend wolle man von Merkel kein Geld, sondern Antworten: Was haben Sie mit Deutschland vor? Diese Frage erörtert sie mit der Kanzlerin schwerpunktmäßig am Thema Opel/Arcandor - was Merkel ganz recht zu sein scheint, denn sie kommt auch selbst immer wieder gern darauf zurück. Opel als "absoluter Sonderfall" verdiene eine "faire Startchance", und sie hätte sie niemals eingemischt, wenn man nicht Verhandlungen mit einer anderen Regierung hätte führen müssen. Arcandor hingegen sei 2008 bereits in Schwierigkeiten gewesen. Klare Worte, an der auch Illners provokante Nachfragen ("Hatte Herr zu Guttenberg das dann nicht verstanden?") abprallen. Einfach deshalb, weil Merkel ihre Position immer wieder geduldig erklärt und sich diplomatisch zurückhält, wenn sie mit Worten ihrer Kritiker konfrontiert wird. Ihre Devise: Natürlich kann man das alles anders bewerten, aber "ich nehme mir heraus, das so entschieden zu haben". Weitere Filmchen, die auf Merkels Opellösung herumreiten, wirken zunehmend harmlos - und die Kanzlerin darf unaufgeregt und freundlich immer wieder das gleiche erklären und dabei unheimlich kompetent rüberkommen.

Charmant trotz Kritik

Sie wird von Minute zu Minute sicherer, ihre Gesichtszüge entspannen sich und man bekommt sogar gelegentlich ein Lächeln zu sehen. Und das lässt die Kanzlerin - verglichen mit dem, was man von ihr früher gewohnt war - richtig charmant wirken ("Gott sei Dank sitze ich jetzt noch hier und kann Ihnen was dazu sagen.") Dabei muss sie sich durchaus harter Kritik stellen: Mit einem Chamäleon wird sie in einem Einspieler verglichen, Beliebigkeit muss sie sich vorwerfen lassen und die Frage beantworten, welche Merkel man denn nun bekommen würde, sollte die CDU die Bundestagswahl gewinnen. Doch sie reagiert mit überraschender Souveränität: "Sie kriegen die Merkel, die Sie hier heute sehen." Und: "Ich werde nie beliebig sein." Innerhalb der CDU gebe es oft zehn verschiedene Meinungen, und es sei eine Kunst, "die Linie zu finden, in der sich alle wiederfinden".

Chancen genutzt

Gelegenheit, ihre Wahlkampfthemen unters Volk zu bringen, bekommt Merkel in dieser Sendung genug - und sie nutzt ihre Chancen, spricht über nachhaltiges Wachstum, geplante Investitionen in Schulen und Kindergärten und Steuersenkungen als "ehrlichen Plan". An diesem Punkt läuft sie zur Höchstform auf, kontert unerwartet leidenschaftlich auf Illners Zwischenfrage, ob hier die Wahlkämpferin spreche: "Nein, hier ist die Bundeskanzlerin zu hören. Sie haben gefragt, wohin wollen Sie Deutschland führen, und ich sage es Ihnen: Ich will Deutschland dahin führen dass wir nach der Krise nicht fünf Stufen runtergerutscht sind, sondern unsere Chancen und Potenziale auch genutzt haben."

Natürlich nutzt sie auch die Steilvorlage, die Illner ihr in Form eines Youtube-Videos liefert - mit der Zuschauerfrage, ob sie die Mehrwertsteuer wirklich nicht erhöhen werde: "Wenn ich jetzt Nein sage, dann kann man sich darauf verlassen, dass es bei Nein bleibt." Gegen Ende der Sendung ist Illner wirklich nur noch Stichwortgeberin und der Abend eine runde Sache für Kanzlerin Merkel, die sich kaum besser hätte präsentieren können. Ganz ehrlich: Das hätte man ihr so nicht unbedingt zugetraut.