Berlin. Bei Anne Will hat die Talk-Runde vor dem Flüchtlingsgipfel der Koalition über eine Lösung diskutiert. Das Vorbild dabei ist Österreich.
Zäune, Transitzonen, Abschiebungen – ist das die richtige Flüchtlingspolitik? Anne Will wollte genau das am Mittwochabend von dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann, der österreichischen Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), dem Unions-Fraktionsvize Hans-Peter Friedrich (CSU) und dem Vorsitzenden von Pro Asyl, Andreas Lipsch, wissen.
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Seit der Unterzeichnung des gemeinsamen Positionspapiers zur Bewältigung der Flüchtlingskrise herrscht zwar zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) wieder Einigkeit. Doch die SPD steuert weiter dagegen und will von im Papier enthaltenen Plänen zu Transitzonen nichts wissen. „Haftlagern werden wir nicht zustimmen“, sagte Oppermann schon vor einigen Tagen. Der Koalitionsgipfel am Donnerstag soll nun eine Einigung bringen. Wie diese aussehen könnte, ist noch unklar. Es gibt allerdings Hoffnung.
Der ganz große Streit zwischen den Parteien blieb bei Anne Will aus. In manchen Punkten herrschte sogar erstaunlich viel Harmonie – und das sogar über die Landesgrenzen hinaus.
Österreich hat das Limit erreicht
„Wer oder was ist Deutschland?“ Mit diesen sehr pathetischen Worten startete der studierte Theologe Andreas Lipsch in die Talk-Runde. Er lobte die Willkommenskultur und kritisierte die Asylpolitik der Bundesregierung. Statt auf Integration der Flüchtlinge zu setzen, spiele die Regierung mit den Transitzonen viel mehr die Karte der Abschreckung aus. Wenn es nach der österreichischen Innenministerin geht, ist Abschreckung jedoch nicht die schlechteste Variante. Denn sie ist überzeugt: „Wir sind an der Grenze der Kapazität. Wir sind am Limit.“
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Aber wo liegt dieses Limit – vor allem in Zahlen? Das fragte auch Anne Will in die Runde. Dieses Jahr würde Deutschland eine Million Flüchtlinge noch bewerkstelligen können. Jedes Jahr aufs Neue jedoch nicht. Da sind sich sogar Oppermann und Friedrich einig. „Diese Gesellschaft hat wie jede andere Gesellschaft auch eine Grenze der Integrationsfähigkeit“, sagte der CSU-Mann. In Zahlen ausdrücken könne man die jedoch nicht. Entscheidend sei deshalb, die Menschen so schnell wie möglich zu integrieren, damit keine Parallelgesellschaften entstünden.
Zäune werden dämonisiert
Dass das Thema Integration mehr Beachtung finden muss, bezweifelte keiner von Anne Wills Gästen. Weniger Einigkeit herrschte hingegen beim Thema Transitzonen und Einreisezentren. Könnte Österreich dabei ein Vorbild sein? Dort gibt es ein Schnellverfahren, wie Mikl-Leitner erläuterte. Innerhalb von zehn Tagen wird ein Asylverfahren abgewickelt. Auch die Rückführung geschieht bei Ablehnung innerhalb kürzester Zeit. Die Anzahl der Asylgesuche von Menschen mit wenig Bleibeperspektive – von den Balkanstaaten etwa –, sei allerdings stark zurückgegangen. Den Grund dafür sieht die österreichische Innenministerin vor allem in der Informationspolitik. Direkt in den Herkunftsstaaten informiert Österreich über die minimale Chance, im Land bleiben zu können. Für schnellere Verfahren auch in Deutschland plädierte auch der Vorsitzende von Pro Asyl, Andreas Lipsch, und erntete Zustimmung von allen Seiten.
In einem anderen Punkt geriet die eher gemäßigte Talk-Runde dann aber doch aneinander: Die Sicherung der Grenzen. Mikl-Leitner plädierte bereits vor einigen Tagen für eine „Festung Europa“. Österreich plane einen Zaun zur Grenze von Slowenien – von einer Grenzschließung wie es an der ungarisch-serbischen Grenze geschehen ist, will die Innenministerin aber nichts wissen. „Österreich will sich nicht abschotten“, der Zaun soll Flüchtlinge viel mehr schützen und einen kontrollierten Zugang gewährleisten, bekräftigte sie. Diese Ansicht stieß auf wenig Befürwortung. „Ich weiß gar nicht, was diese Dämonisierung von Zäunen soll?“, empörte sich Friedrich und bestärkte damit Mikl-Leitner. Hausbesitzer würden ihre Grundstücke ebenfalls einzäunen, argumentierte er weiter.
Oppermann will Streit beilegen
Am Ende wurden dann noch einmal die rhetorischen Zäune eingerissen. Die Runde widmete sich der Ursachenbekämpfung. Denn die – und da sind sich SPD, CSU und ÖVP einig – ist letztendlich am wichtigsten. Der erste Schritt in die richtige Richtung könnte beim Koalitionstreffen am Donnerstag erfolgen. Oppermann scheint zumindest gewillt, eine Einigung mit CDU und CSU zu erzielen. „Wir müssen diesen Streit morgen beenden“, sagte er. Es müsse sich wieder um andere Probleme gekümmert werden – um die Bekämpfung der Fluchtgründe.