Köln . Der Nacht-Talker Jürgen Domian kennt sich aus mit Angst. Im Interview spricht er über Einsamkeit, Tod und die Sehnsucht nach Sonne.

Jürgen Domian, 57, kennt die Nöte der Menschen. Über 20 Jahre hat er als ihnen als Nacht-Talker am Telefon zugehört. Die Dokumentation „Domian – Zwischen Tag und Nacht“ (2.11. WDR, 23.15Uhr) zeigt Einblicke in die Livesendung „Domian“, die noch bis Ende 2016 läuft.

Nacht für Nacht hören Sie den Kummer fremder Menschen an. Hat das Ihr Weltbild verändert?

Jürgen Domian: Eindeutig, mein Menschenbild ist schlechter geworden. Das liegt daran, dass ich in so viele und so tiefe Abgründe geschaut habe. Früher konnte ich mir nicht vorstellen, was Menschen imstande sind, anderen Menschen anzutun. Andererseits begegnen mir in der Sendung auch so viele mutige, tapfere, selbstlose und gute Menschen. Dies wiegt alles wieder auf und ist der Grund dafür, dass ich nicht ansatzweise bitter oder zynisch geworden bin.

Welche Gespräche erschüttern Sie am meisten?

Gespräche, in denen es um Tod, Trauer und Sterben geht. Beim Thema Tod und Sterben stoßen meine Mitarbeiter und ich an unsere Grenzen. Was sagt man einer Frau, deren Kind ermordet wurde? Im Laufe der Jahre aber habe ich gelernt, dass schlichtweg nur zuhören, miteinander sprechen oder auch schweigen und einfach da sein für den Anrufer schon viel bewirkt.

Der Tod spielt oft eine große Rolle in Ihrer Sendung: Welche Einstellung haben Sie dazu?

Ich habe mich Jahre mit dem Tod beschäftigt und muss sagen, dass ich mich mit ihm versöhnt habe. Das ist eine große Erleichterung, weil ich mein ganzes Leben lang Angst vor dem Tod hatte. Diese Panik ist weg, aber ich habe nach wie vor Angst vor dem Sterben. Deshalb bin ich auch ein Befürworter der aktiven Sterbehilfe, genau gesagt des assistierten Suizids. Ich will einmal selbstbestimmt und in Würde sterben.

In Ihrer Jugend waren Sie überzeugter Christ, haben sich dann aber vom Christentum losgesagt. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?

Ich geriet in eine Glaubenskrise, die sich vielleicht verkürzt auf einen Satz bringen lässt: Ich konnte nicht mehr schlüssig erklären und vor allem empfinden, dass das christliche Gottesbild das richtige ist. Ich habe vor zwölf Jahren angefangen, mich mit Zen-Buddhismus zu beschäftigen – ich bin zwar kein praktizierender Zen-Buddhist, aber das ist die Spur, auf der ich gehe. Zen ist ohne Dogmen, es geht um Mitgefühl und um Respekt vor allem Lebenden, das gefällt mir.

Sie beschäftigen sich seit 20 Jahren mit den Sorgen fremder Leute. Wohin gehen Sie denn, wenn Sie selber Sorgen haben?

Zu meinen Freunden. Ich hatte immer das Glück, stets auf ein, zwei ganz enge Vertraute zählen zu können, die mir in allem zur Seite gestanden haben. Das ist alles andere als selbstverständlich.

Sie haben es oft mit einsamen Menschen zu tun.

Sehr oft. Das war, als ich damals angefangen habe, eine erschreckende Erkenntnis – wie viel Einsamkeit es gibt und wie wenig Menschen letztendlich miteinander sprechen, gerade in heiklen Situationen. Oder wie viele es gibt, die überhaupt niemanden zum Reden haben. Das ist ein Problem, das vielen Anrufern auf der Seele lastet.

Warum wollen Sie aufhören?

Weil ich dann fast 22 Jahre Nachtschicht gemacht haben werde. Ich habe Sehnsucht, wieder öfter die Morgensonne zu sehen und in einem normalen Rhythmus zu leben. Außerdem sollte man gehen, wenn es sehr gut läuft.

Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?

Ich arbeite gemeinsam mit dem Kollegen und Comedian Atze Schröder an einem Konzept für eine Talkshow. Nun glauben zwar viele, Domian und Atze, das passt ja wohl nicht zusammen. Aber das passt hervorragend, kann ich Ihnen sagen. Spruchreif ist aber noch nichts.