Berlin. Ratlosigkeit prägte die Flüchtlings-Debatte bei Maybrit Illner. Klare Konzepte? Mangelware! Den stärksten Auftritt hatte eine Helferin aus Berlin.

Der Tag hatte das Thema gesetzt. Der Chef des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Manfred Schmidt, tritt zurück, nachdem seine Behörde für zu lange Asylverfahren in die Kritik geraten war. Slowenien kündigt an, wieder die Grenzen zu kontrollieren. Tausende Flüchtlinge strömen nach Kroatien, seit Ungarn seine Grenze mit Wasserwerfern und Tränengas verteidigt.

"Millionen auf der Flucht - wie schaffen wir das?", überschrieb die Redaktion von Maybrit Illner ihre Sendung. Eine Frage mit Spielraum. Wohl auch deshalb zerfranste die Diskussion zusehends.

Zu Gast waren der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann, CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer, Katja Kipping, Vorsitzende von den Linken, und Ulrich Reitz, Chefredakteur des "Focus". Im Studio saß, sozusagen als waschechte Pragmatikerin die Flüchtlings-Koordinatorin Barbara Reul-Nocke aus Remscheid (NRW). Sie war im Drehbuch der Redaktion vermutlich dafür vorgesehen, die Wirklichkeit ins Fernsehstudio zu holen. Das allerdings gelang erst zum Ende der Sendung einer anderen Helferin aus Berlin, die mit Abstand den stärksten Auftritt hatte.

Bizarrer Oktoberfest-Vergleich

Zunächst schien es, als verliere sich die Diskussion in den üblichen Moralschlachten. "Als Europäer muss man sich schämen, das widerspricht dem Menschenrecht und den europäischen Werten", sagte Thomas Oppermann (SPD) mit Blick auf die rabiate Abschottung der ungarischen Grenze und die Politik Viktor Orbáns. Routiniert setzte der CSU-Generalsekretär entgegen: Es sei einfach aus der Entfernung den Richter zu spielen, "es geht aber darum den Gesprächsfaden aufrecht zu halten".

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Focus-Chefredakteur Ulrich Reitz warb dafür, die Ungarn nicht vorzuverurteilen. Die Sache sei "zweischneidig". "Es ist aber das gute Recht eines Staates, seine Grenze zu schützen." Und Orbán hole ja womöglich für andere Staaten "die Kartoffeln aus dem Feuer".

Immer wieder versucht die Gastgeberin das Gespräch auf Deutschland zu fokussieren. Auf die Frage "Müssen wir nun Millionen Flüchtlinge aufnehmen" greift Linken-Politikerin Katja Kipping grandios daneben. Erst duckt sie sich weg, dann stellt sie einen bizarren Vergleich an: "Es kommen sechs Millionen Menschen zum Oktoberfest nach München. Da würde ja auch keiner von einem Notstand reden." Diese Aussage grenzt an Realsatire. Man könnte drüber lachen, wäre das Thema nicht so ernst wäre.

Berliner Helferin überzeugt

"Sind wir nicht alle ein bisschen Orban?", fragt der Sprecher des Einspielfilms. Und überall dort, wo die Diskussion solche plakativen Sprüche überwindet und es um Inhalte geht, kommt das Talk-Format an seine Grenzen. Zum Beispiel bei der Kostenübernahme der Kommunen. Nach wie vor kämpfen die mit den immensen Ausgaben für Unterkünfte und Versorgung der Flüchtlinge. In vielen Bundesländern wird ihnen aber nur ein Teil später erstattet. Als Kronzeugin saß die Flüchtlingshelferin Barbara Reul-Nocke in der Sendung. Die wusste zwar zu berichten, dass die Zahl der Flüchtlinge seit den Grenzkontrollen nicht spürbar zurückgangen ist. Ein plastisches Bild von der Arbeit der Helfer erschloss sich dem Zuschauer aber nicht.

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Das vermittelte erst Diana Hennig vom Hilfsverein „Moabit hilft“, der sich am Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) engagiert. "Wir müssen die Polemik vermeiden", forderte sie inbrünstig. Ihre Befürchtung: Die Polemik führt zu Angst und die wiederum dazu, dass sich die Menschen weniger engagieren. "Die Hilfe wird schon weniger, die Spenden gehen auch zurück. Es gab da einen gewissen, salopp gesagt, Hype, in der Flüchtlingsarbeit." Ein zentraler Satz: "Wir müssen wegkommen von der Bildsprache hin zur Realität. Es müssen keine Konzepte her, es muss Wohnraum her." Sie erwarte nun harte Monate.

Eine harte Botschaft am Ende der Sendung

Eine Antwort auf diese harten Monate und auf diese Debatte, in der es keine einfachen Wahrheiten gibt, fand keiner der Anwesenden. Mal ging es um Europa, mal um Deutschland, mal um die Kommunen. Und auch wenn das alles natürlich zusammengehört, sprang die Debatte immer wieder hin und her, so dass der Erkenntnisgewinn schließlich gering war.

Immerhin traf Thomas Oppermann auf den Punkt, was für Europa auf dem Spiel steht: "Der Gebrauchswert für viele Menschen ist doch, dass wir offene Grenzen haben und eine gemeinsame Währung. Wenn das nicht gewährleistet ist, haben wir ein richtiges Problem." Wie es gewährleistet wird? Vorerst keine klare Lösung. Das ist vielleicht die harte Botschaft, die am Ende der Sendung stand.