Essen. Reich ohne Anstrengung? Man muss nur gut erben. Doch ist unverdientes Vermögen ein Skandal? Bei “Günther Jauch“ brach darüber hitziger Streit aus.

Wer schon einmal Erbstreitereien unter Verwandten erlebt hat, wer mitbekommen, wie verbissen und stur selbst um Kleinigkeiten gekämpft wird, und wer gesehen hat, wie Erbschaften Familien entzweit und enge Angehörige zu Intimfeinden gemacht hat, der weiß um die Emotionalität und die Brisanz des Themas Erben. Und der wird sich auch nicht gewundert haben, dass bei Günther Jauchs sonntagabendlicher Talkrunde in der ARD in Nullkommanichts der schönste Streit vom Zaun brach.

Die 60 Minuten hatten zeitweise mehr Pfeffer und Schärfe als zuvor der ziemlich lahme Frankfurter "Tatort". Und das lag vor allem an zwei Diskutanten, die sich einen immerhin unterhaltsamen verbalen Schlagabtausch lieferten.

Unternehmer Roßmann: "Es geht nicht um Gerechtigkeit"

Unternehmer Dirk Roßmann sieht durch höhere Erbschaftssteuern die Leistungsfähigkeit des Staates gefährdet.
Unternehmer Dirk Roßmann sieht durch höhere Erbschaftssteuern die Leistungsfähigkeit des Staates gefährdet. © Imago | Imago

Da war zum einen Dirk Roßmann, Gründer einer bundesweiten Drogeriemarktkette, ein Familienunternehmer, der sein milliardenschweres Imperium seinen beiden Söhnen vererben will, die beide im Unternehmen tätig sind. Roßmann ist gegen eine hohe Besteuerung von Erbschaften. Er sagt: "Es geht nicht um Gerechtigkeit", sondern letztlich um "die Leistungsfähigkeit des Staates".

Sein Kontrahent an diesem Abend: Christoph Butterwegge, Politik-Professor und Armutsforscher. Butterwegge spricht sich für deutlich höhere Steuern von Erben aus. Er entgegnet: "Erben müssen Verantwortung übernehmen durch Steuern." Und zwar nicht zu knapp, da könne der Staat auch ruhig mal "mit 50 Prozent zugreifen".

Erbschaftssteuer muss reformiert werden - aber wie?

Ja, was denn nun? Unstreitig ist: Das Bundesverfassungsgericht hatte die Erbschaftsteuer im letzten Dezember für verfassungswidrig erklärt. Die Karlsruher Richter störten sich vor allem an den geltenden Ausnahmen für Betriebserben: Zwar sei deren Steuerbefreiung grundsätzlich rechtlich in Ordnung, hieß es. Doch sei die Schonung längst von der Ausnahme zur Regel geworden, oft ohne ausreichende Prüfung der Umstände. Deshalb gab Karlsruhe  der Politik die Vorgabe, die Erbschaftsteuer bis Mitte nächsten Jahres zu reformieren. Die Frage lautet: wie?

"Erben müssen Verantwortung übernehmen durch Steuern", findet Armutsforscher Christoph Butterwegge. © Imago | Imago

250 Milliarden Euro werden pro Jahr in Deutschland vererbt. Wer Geld und Immobilien erbt, darf mit hohen Freibeträgen bei der Besteuerung rechnen, die bei mehreren hunderttausend Euro liegen. Wer darüber liegt, muss mit Steuersätzen von sieben bis 30 Prozent leben. Der Höchstsatz greift aber erst ab einer Erbschaftshöhe von rund 25 Millionen Euro. Zum Vergleich: Bei der Lohnsteuer greift der Staat im Durchschnitt 17 Prozent ab. Die Erbschaftssteuer macht knapp ein Prozent des Gesamtsteueraufkommens aus, die Lohnsteuer etwa 20 Prozent.

Zeitweise redeten bei Jauch nur Butterwegge und Roßmann

Ungerecht? Gar skandalös? Ganz klar ja, befand der Wissenschaftler Butterwegge: "Wenn privater Reichtum ernorm zunimmt, haben wir ein Problem mit der öffentlichen Armut. Ein hohes Maß an Gleichheit macht alle glücklicher."

An der Stelle platzte dem Unternehmer Roßmann der Kragen. Man könne nicht alles "von der Gerechtigkeit her" betrachten, es gehe auch um den volkswirtschaftlichen Aspekt des Erbens. Familienbetriebe, die bei der Weitergabe an die nächsten Generation zu stark besteuert würden, "verlieren ihre Wettbewerbsfähigkeit", konnterte Roßmann. Und Firmen, die sich über Generationen fortentwickeln, seien "ein großer Wert für die Gesellschaft, mehr als Geld".

Zeitweise redeten bei Jauch nur Butterwegge und Roßmann - und das nicht selten auch gleichzeitig, so erhitzt waren die Gemüter. Da ging es dann fast im Getümmel unter, dass Erbschaftssteuerkritiker Roßmann am Ende befand, man sei ja gar nicht so weit auseinander. Auch er sei ja nicht grundsätzlich gegen die Abgabe. Man streite ja letztendlich "nur um die Höhe der Steuer". Aber was heißt in dem Fall schon "nur"?!