Berlin/Königs Wusterhausen. Eine unbeheizte Scheune, ein paar Tiere: 15 Leute versuchen, mitten in Brandenburgs Wäldern eine neue Existenz aufzubauen. Mit dabei: 105 Kameras. Am Montag startet das TV-Projekt “Newtopia“.
Dies wird kein leichtes Unterfangen: 15 Frauen und Männer ziehen bald in die Wälder Brandenburgs und beginnen dort ein neues Leben. Das Gelände dürfen sie nicht verlassen. Der Münchner Privatsender Sat.1 startet an diesem Montag das TV-Projekt "Newtopia" - zunächst auf ein Jahr angelegt.
Matschig und unwegsam ist es auf dem "Newtopia"-Hof. Die Spuren von Traktoren zeugen von letzten Aufbauarbeiten. Mitten in einem Kiefernwald in Königs Wusterhausen südöstlich von Berlin wurde in den vergangenen Monaten auf zwei Hektar Fläche die wenige Infrastruktur geschaffen, mit der die Kandidaten starten. Der Hof ist von der Außenwelt durch einen Zaun abgeschottet.
Toiletten? Fehlanzeige. Eine Scheune, die auf alt gemacht ist, ein Stall, in dem bereits zwei Kühe stehen und 25 Hühner nach Futter picken. So leicht wie sie werden es die Kandidaten nicht haben. "Sie müssen sich alles selbst organisieren", sagte Sat.1-Unterhaltungschef Taco Ketelaar kürzlich bei einem Rundgang. Alles was die sieben Frauen und acht Männer mitnehmen, sei ihre Kleidung am Leib. Kein Essen, kein Trinken. Das TV-Projekt läuft unter dem Motto "Alles auf Anfang".
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In den Niederlanden läuft eine ähnliche Show seit 2014
Es gibt ein Startguthaben von 5000 Euro, ein Handy und Anschlüsse für Gas und Wasser. Ziel ist es, dass die Gruppe durch Handel Geld verdient und sich eine Existenz aufbauen kann. Die Scheune ist kärglich eingerichtet. Es gibt Strohballen und Sitzhocker, ein paar Haken und überall: Kameras. 105 sind es auf dem ganzen Gelände.
Die Blaupause für das Projekt, mit dem der Sender sein Vorabendprogramm stärken will, stammt aus den Niederlanden. Dort läuft das Ganze seit Januar 2014 - ein Ende ist nicht in Sicht. Erfinder ist John de Mol, der auch durch seine Container-Show "Big Brother" bekannt wurde. Laut Sat.1 wird das Projekt derzeit auch in der Türkei ausgestrahlt.
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Im Internet soll "Newtopia" rund um die Uhr gezeigt werden
In den USA wurde es hingegen wegen schwacher Quoten abgesetzt. Ketelaar erklärt das unter anderem damit, dass die Sendung dort nur einmal wöchentlich ausgestrahlt worden sei. In Deutschland soll sie werktags ab 19 Uhr jeweils eine Stunde lang gezeigt werden - als Soap angelegt. Im Internet sogar 24 Stunden pro Tag. Gegen Gebühr können die Zuschauer Kameras selbst steuern.
Die Kandidaten kommen aus ganz Deutschland, sind volljährig und bis zu 65 Jahre alt, wie der Projektleiter der Produktionsfirma Talpa Germany, Matthias Wolf, sagte. "Sie kennen sich nicht." Einige hätten sogar ihren Job aufgegeben, um mitzumachen. Inzwischen hat der Sender erste Kandidaten vorgestellt. Dazu zählen unter anderen ein 44 Jahre alter Politikwissenschaftler aus Berlin, ein 26 Jahre alter Key-Account-Manager aus Frankfurt (Main) und eine alleinerziehende Mutter und Kassiererin (39) aus Krefeld.
Kontakt können die Kandidaten nach draußen suchen, den Hof aber nicht verlassen. An dem Tor mit der Aufschrift "Newtopia" gibt es eine Klingel und einen Briefkasten. Wie die Gruppe ihr Leben organisieren wird, steht in den Sternen. Wie auch von anderen Shows wie "Big Brother" bekannt, werden Kandidaten aus "Newtopia" herausgewählt, andere kommen dazu. Der Zuschauer kann mitbestimmen, wie Wolf erläutert.
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Bürgermeister von Königswusterhausen hofft auf Synergie-Effekte
Die Macher verkaufen das Format als unverfälscht. Der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen sagte dazu: "Die Show folgt den Prinzipien der Scripted-Reality-Formate und steht für einen paradoxen Kult des Echten, Wahren und Wirklichen, das die Fernsehwelt der Privaten regiert." Er fügte hinzu: "Scripted-Reality ist versuchter Publikumsbetrug - das scheinbar Wahre und Echte im Gewand extremer Inszenierung."
Der Bürgermeister von Königs Wusterhausen, Lutz Franzke (SPD), hofft auf Synergie-Effekte für die Stadt vor den Toren Berlins mit rund 35 000 Einwohnern. Bereits im Vorfeld hätten Handwerkerbetriebe und Fahrdienste von "Newtopia" profitiert. Vereinzelt habe es aber auch Kritik gegeben, so Franzke. "Es gab einige, die meinten: "So'n Blödsinn. Dit brauchn' wa nich." (dpa)