Essen. Schönheit hat viele Gesichter. Das will uns Guido Maria Kretschmer mit seiner neuen Sendung zeigen. Mit „Shopping Queen“ hat die wenig zu tun.
„Oh, die hat aber ein sehr knappes Höschen an. Sieht ein bisschen aus wie so ein Rollmöpschen“, entfährt es Guido Maria Kretschmer und er meint damit Alex, die im Bikini durch den Pool schwimmt. Mit langen roten Haaren und ein paar Kilos zu viel auf der Waage.
Die Frauen weinen vor Rührung
Übel nimmt man ihm als Zuschauerin diese Bemerkung sicher nicht. Für unterhaltsame Kommentare von der Seite und solche, die einem auf der Zunge liegen – dafür lieben und kennen ihn seine Fans aus „Die Shopping Queen“.
Doch dann wenige Szenen später: Dieselbe Frau umarmt Kretschmer, Tränen der Rührung laufen ihr übers Gesicht. Sie lächelt erst zaghaft, dann immer stärker, als die beiden vor einem Porträt stehen, auf dem sie zu sehen ist. „Guck mal, du bist wunderschön!“, meint Kretschmer.
20 Frauen treten an
Und Alex bleibt nicht die Einzige, die vor Entzückung weint. Auch viele andere Kandidatinnen, die im Laufe der Sendung auftauchen, fallen dem Modedesigner um den Hals: „Er sieht Klarheit und Schönheit in mir“, und „Guido hat mir gezeigt, dass ich schön bin“, betont eine nach der anderen.
Kretschmer sucht "Schönste Frau"
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Was wir alle längst gewusst, gehofft oder uns gewünscht haben, will Guido Maria Kretschmer uns nun beweisen: Wahre Schönheit kommt von innen. Und das macht er mit seiner neuen Sendung, in der er aus 20 Frauen „Deutschlands schönste Frau“ kürt, immer mittwochs auf RTL.
Einschalten wegen Kretschmer
Wer hier einschaltet, sieht Kretschmer vermutlich nicht zum ersten Mal. Wer hier einschaltet, hat ganz sicher schon häufiger die „Shopping Queen“ auf Vox gesehen und vielleicht auch schon mal ein Buch des Modedesigners in den Händen gehalten. Und wer hier einschaltet, tut das nicht wegen der Kandidatinnen, sondern mit Sicherheit wegen Kretschmer selbst: dem Strahlemann des Privatfernsehens.
Alle, die sich am Mittwochabend auf eine andere Version von „Shopping Queen“ gefreut hatten, wurden jedoch enttäuscht. Kleidung und Stilbewusstsein spielen bei „Deutschlands schönste Frau“ wenn nur eine untergeordnete Rolle. Und auch von der Leichtigkeit und dem Witz bei „Shopping Queen“ büßt Kretschmers neue Castingshow einiges ein.
Es erinnert an den Bachelor
Dabei ist neu schon fast übertrieben, wirkt sie doch eigentlich nur wie ein zusammen gewürfelter Mix aus „DSDS", „Germanys Next Topmodel" und dem „Bachelor". Das Konzept geht dann etwa so: Man lasse eine Kandidatin von ihrer qualvollen Vergangenheit berichten, setzt sie bei einem Fotoshooting in Szene und schickt am Ende einige von ihnen in einer Art „Nacht der Rosen“ (hier nennt sie sich Ladies Night) wieder nach Hause.
Ganz im Stil der bekannten Castingshows geht es für die Kandidatinnen erstmal in eine eigene Villa – und zwar nach Mallorca. „Einmal Prinzessin sein“ und „einfach Wahnsinn“ schwärmen die Frauen beim Anblick des Hauses. Und man fragt sich kurz, ob nicht doch schon Donnerstag ist und man versehentlich bei Heidis Mädels gelandet ist.
Wie kleine Kinder gackern sie, als es dann auch noch Geschenke gibt: Pflegeprodukte einer bekannten Marke. Die Produktplatzierung könnte nicht besser sein.
Auch mit Glatze kann man schön sein
Im Gegensatz zu „Germany's Next Topmodel" geht es hier aber nicht darum, perfekt zu sein. Die Maße 90-60-90, ein wohl geformtes Gesicht und eine schmale Taille spielen keine Rolle. Hässlich sind die Frauen nicht. Ihre Schwächen und Mankos liegen woanders.
Da ist Sam, die Haarausfall hat und deshalb eine Glatze trägt. Von ihren Mitstreiterinnen wird sie mit Applaus und Bewunderung bedacht, als sie ihre Perücke abnimmt. „Ich bin der Meinung, auch Frauen ohne Haare können schön sein. Ich bin jetzt ich“, sagt sie. Und Guido schaut versonnen zu: „Ach süß.“
Viele Leidensgeschichten
Da ist Vanessa aus Emmerich, die unter einem deformierten Rücken leidet und ihre Jugend mit einem Korsett verbringen musste. (Nach der ersten Show ist für sie aber schon wieder Schluss.) Und da ist Ramona, die wohl die längste Leidensgeschichte hat: schwanger mit 15, ihr Mann schlägt sie, ihre Mutter trinkt und ihren Vater hat sie nie kennen gelernt. Umrahmt werden diese Geschichten von typisch theatralischer Musik, die die Dramatik verstärken soll.
Was danach kommt, ist eine Reihe von Aufgaben. Einmal malt ein Künstler ein Porträt der Kandidatinnen. Diese müssen sich dafür selbst beschreiben, der Maler kann sie nicht sehen. Dann wiederum müssen einige von sich ein Selfie machen und sich dafür in Szene setzen, andere bekommen ein Fotoshooting. Das alles soll dazu beitragen, das Selbstbewusstsein der Kandidatinnen zu stärken, ihnen ein Gefühl für ihren Körper zu geben und ihre Wahrnehmung zu verändern.
Es gibt eine Ladies Night
In der so genannten „Ladies Night“ müssen sich die Kandidatinnen dann gegenseitig nominieren und so jemanden herauswählen. Als kleiner Gewinnanreiz lockt Kretschmer zuletzt noch mit einer Plakatwerbung für eine Wäschemarke: „Welche Frau träumt nicht davon, auf einem Plakat zu sein?“ Und schon wieder hat man das Gefühl, sich im Tag vertan und bei Heidi gelandet zu sein.
Trotz allem: Die Botschaft, mit der die Sendung zu spielen versucht, ist keine schlechte: Zu zeigen, dass gängige Schönheitsideale der Vergangenheit angehören, ist vorbildlich. Wenn doch die Show nicht so gewollt und überladen mit Emotionen daherkäme.
Kretschmer spielt den Psychologen
Der Einzige, der so auftritt wie fast immer, das ist Guido Maria Kretschmer selbst. Wie in „Shopping-Queen“ – Manier ist er auch hier bei Kommentaren stets am rechten Bildrand positioniert. Ab und zu lässt er ein „Ach, wie süß“ fallen. Vielleicht wäre er damit beraten, das zu machen, womit er sich bewährt hat: Frauen bei ihrem Aussehen zu beraten und nicht für verletzte Seelen den Psychologen spielen zu müssen.
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