Berlin. Edward Snowden kennen inzwischen viele Menschen. Doch es gibt noch andere Whistleblower, die nicht so im Licht der Öffentlichkeit stehen.
Geheimnisse gibt es in unserer vernetzten Welt immer weniger. Umso größer ist dann aber doch noch das Erstaunen, wenn eines gelüftet wird. Genau darum geht es in der Dokumentation "Schweig, Verräter!", die an diesem Dienstag um 20.15 Uhr auf Arte zu sehen ist.
Der Untertitel "Whistleblower im Visier" sagt es klar und deutlich: Es handelt sich um Enthüller oder Skandalaufdecker, die Missstände oder Verbrechen wie Korruption, Menschenrechtsverhandlungen, Insiderhandel und vor allem Datenmissbrauch aufdecken - und das alles zwar völlig uneigennützig, aber sehr zum Ärger so mancher Regierung.
Seit nunmehr zwei Jahren sitzt WikiLeaks-Gründer Julian Assange in der ecuadorianischen Botschaft in London fest. Der bislang bekannteste Whistleblower ist jedoch der US-Bürger Edward Snowden, der im Sommer 2013 die Geheimdienstaffäre rund um die NSA ins Rollen brachte und seitdem im Moskauer Asyl lebt.
Video-Telefonkonferenz mit Snowden
Vor einer Woche nahm Snowden an einer Debatte mit dem Titel "Datenüberwachung und Respekt der Privatsphäre" teil und gab in diesem Zusammenhang seine erste Video-Telefonkonferenz in Frankreich, die von Arte übertragen worden ist. Dabei wurde einmal mehr deutlich, was für hohe Anforderungen er auch an sich selbst stellt und was für ein starkes Gerechtigkeitsempfinden er hat.
Auch interessant
Gerade deshalb genießen Whistleblower in der Bevölkerung durchaus Anerkennung, bei Politikern oder sonstigen Betroffenen naturgemäß eher weniger. Im Alltag sind Enthüller oft Morddrohungen, Hetze und Schikane ausgesetzt, einigen wird dann vor Gericht der Prozess gemacht.
So manche Regierung sähe sie am liebsten hinter Schloss und Riegel - so hat die japanische Regierung soeben das Strafmass für Geheimnisverrat von höchstens einem Jahr Haft auf bis zu zehn Jahre erhöht. Wer aber darf eigentlich festlegen, was genau ein Geheimnis ist, und was sind die Enthüller denn nun eigentlich - gemeine Vaterlandsverräter oder doch eher moderne Helden?
Thomas Drake, Jesselyn Radack und John Kiriakou
Der Autor des Films - er trägt den bemerkenswerten Namen James Spione - geht diesen Fragen anhand von drei Menschen nach, die mittlerweile als Whistleblower bekannt sind: Thomas Drake war bei der NSA, Jesselyn Radack ist Ex-Anwältin im US-Justizministerium, und John Kiriakou hat als Erster exakt die Foltermethoden aufgedeckt, die sein ehemaliger Arbeitgeber namens CIA angewandt hat und die jüngst in einem Bericht des US-Senates dokumentiert worden sind.
Darin wird festgehalten, was auch in diesem Film deutlich wird: Die Methoden der CIA haben die Demokratie der USA erschüttert, die Welt aber keineswegs sicherer gemacht.
Auch interessant
Während es für die Folterer und deren Auftraggeber keine strafrechtlichen Konsequenzen geben wird, wurden unter Obama allein sieben Geheimagenten verurteilt, die ihr Schweigen gebrochen haben.
Einer von ihnen ist der sympathische Familienvater John Kiriakou: Er wurde zu 30 Monaten Gefängnis verurteilt und hat diese Strafe am 28. Februar 2013 angetreten. "Ich sehe das als Auszeichnung an, denn ich weiß, daß ich alles richtig gemacht habe", sagt er im Film.
Arte verspricht eine eindrucksvolle Dokumentation
Insbesondere die Bush-Regierung (2000-2008) hat den Kongress und die ganze Welt massiv belogen - von einer klaren Erkenntnis oder gar einer reuigen Entschuldigung ist weit und breit nichts zu sehen.
Beim G-20-Gipfeltreffen zwischen den großen Industriestaaten 2010 wurde vereinbart, dass bis Ende 2012 alle Länder sogenannte Whistleblower-Schutzgesetze haben müssen, weil man annahm, darüber unter anderem die Korruption eindämmen zu können. Eines der Länder, das bisher jedoch noch nichts unternommen hat, ist die Bundesrepublik Deutschland. NSA-Skandal, Handy-Affäre der Kanzlerin - war da eigentlich irgendwas?
Im Film geht es durchweg um Amerikaner, und entsprechend ist auch seine Dramaturgie: Zu sehen sind die Familien der drei Protagonisten, gern und oft auch deren Kinder - sie leiden am meisten unter den Anfeindungen ihren Eltern gegenüber.
Die beruflichen, geradezu bürgerlichen Entwicklungen der Enthüller werden dokumentiert - so sehen brave Nachbarn von nebenan aus. Es gibt ein paar Spielhandlungen und einige eingebaute zeitgeschichtliche Aufnahmen sowie viele Ausschnitte aus TV-News-Shows. Das alles nimmt der eindrucksvollen Dokumentation jedoch keineswegs seine aktuelle Brisanz - Arte sei Dank für den guten Sendetermin zur Primetime.
Im Anschluss an den Film um 21.50 Uhr gibt es eine Debatte zum Thema, die diesen spannenden Themenabend abrundet. (dpa)