Bochum. . Duisburg sagte auf Geheiß des Oberbürgermeisters im letzten Augenblick ab – nun hat der Künstler Gregor Schneider für die Ruhrtriennale statt “totlast“ in Duisburg enge Gänge im Museum Bochum installiert. Dort wartet neben “Kunstmuseum“ auch eine sehenswerte Ausstellung der Privatsammlung Hense.
Warteschlangen vor dem Eingang! Und dann auch noch wegen eines Kunstwerks! – Der Traum eines jeden Museumsdirektors. Für den Bochumer Hausherrn Hans-Günter Golinski geht er mit Gregor Schneiders jüngster Rauminstallation namens „Kunstmuseum“ in Erfüllung – jener Installation der Ruhrtriennale, die es nur deshalb in Bochum gibt, weil in Duisburg der dortige Oberbürgermeister seine Stadt „noch nicht reif genug“ fand für ein Werk des amtierenden deutschen Beklommenheits-Meisters Gregor Schneider.
Nun dürfen in Bochum die Besucher, denen der gewohnte Haupteingang des Museums an der Kortumstraße versperrt ist, nur noch einzeln oder zu zweit eintreten, und zwar im Abstand von 30 Sekunden. Es geht durch eine Metallröhre, und die allermeisten werden hier den Kopf einziehen müssen. Es wird eng. Dunkel. Warm. Spärliches Notlicht. Die Älteren werden an die Kanalisationsszenen aus dem „Dritten Mann“ denken, spätestens, wenn ein Lüftungsgitter den Weg versperrt. Man muss sich ein Herz fassen und eine geschlossene Türe nach der anderen öffnen, manchmal wählen zwischen mehreren. Irgendwann gelangt man in eine Mischung aus Büro und Abstellraum, ein älterer Computer brummt vor sich hin, Aktenordner, Kunsttransport-Kisten, ein Ventilator. Eine blaue Mülltonne schweigt den Wasserspender an, im Regal belauert der Thieme-Becker, das betagte Künstlerlexikon, ausgediente Videorekorder.
Festes Schuhwerk und Warnungen
Draußen vor dem Eingang warnt eine Warntafel, man solle immer nur in eine Richtung gehen und nur im Notfall umdrehen, „einige Stellen können zu Verunreinigungen führen“ und wegen der unebenen Böden im „Kunstmuseum“ sei „festes Schuhwerk dringend empfohlen“. Kinder unter zehn Jahren dürfen nur in Begleitung Erwachsener herein (was Grundschulklassen ins Schleudern bringen wird) und Hochschwangere gar nicht.
Zur Ausstellung
„Kunstmuseum“ bis 12. Oktober; „Additionen der Gegenwart“ bis 28. September. Kunstmuseum Bochum, Kortumstraße 147. Künstlergespräch mit Gregor Schneider: 14. Sept., 15 Uhr.
Geöffnet: Di-So 12-18 Uhr („Kunstmuseum“ ist schon ab 10 Uhr geöffnet und mittwochs bis 20 Uhr), Eintritt: 8 €, erm. 5 €, Familien: 10 €.
Dem ersten Büro-Raum folgt ein zweiter, und dann, nach etwa zehn Minuten, hat man die Wahl zwischen fünf Türen, doch nur die mit dem Milchglas führt ins Foyer des echten Kunstmuseums – durchatmen. Museumschef Golinski hatte einen „Museumsbesuch mit Risiko“ angekündigt. Doch Gregor Schneiders Parcours, eine dunkel-raunende, Unbehagen fördernde Mischung aus Museumsuntergrund und -innerei, steigert die Wertschätzung des Museumsfoyers als zivilisatorische Errungenschaft.
Ruhrtriennale hat alles gut gemacht
Vor allem aber ist diese Installation nur als Vorspiel, als Ouvertüre sinnvoll – für sie allein lohnt ein Museumsbesuch noch nicht. Doch in der ersten Etage des Bochumer Museums ist zurzeit unter dem allzu unverbindlichen Titel „Additionen der Gegenwart“ die Bochumer Privatsammlung Hense ausgestellt: eine staunenswert stimmige Sammlung aktueller Kunst mit deutlicher Vorliebe fürs Figürliche, von Stella Hambergs androgyner Bronze bis zu den grandios gemalten, anspielungsprallen Großformaten von Sabina Sakoh. Die ältesten ausgestellten Arbeiten dieser rund 350 Werke umfassenden Sammlung sind Fotografien von Helmut Newton. Ansonsten handelt es sich um junge, oft ironische Kunst wie Thorsten Passfelds biederkomische Comic-Laubsägearbeit, die nicht unbedingt fürs Museum gemacht ist, sich aber gerade deshalb hier gut macht.
Alles gut gemacht haben laut Gregor Schneider das Museum Bochum und die Ruhrtriennale, die seine Installation nach der Absage in Duisburg in der ultrakurzen Zeit von fünf Wochen auf die Beine gestellt haben. Und er stellt klar, dass sein „Kunstmuseum“ nicht identisch ist mit dem fürs Lehmbruck Museum geplanten Werk „totlast“. So werden die Duisburger wohl nie erfahren, was sie verpasst haben.