Duisburg. Ein Kraftakt: Der Guru des Minimalismus gastierte fast drei Stunden lang mit allen seinen 20 Etüden beim Klavier-Festival Ruhr in der ausverkauften Gebäsehalle des Duisburger Landschaftsparks Nord. Doch der Mangel an Substanz wurde von Nummer zu Nummer deutlicher – bis zum geradezu peinlichen Schluss.
Dem Klavier-Festival Ruhr ist er seit langem verbunden, jetzt trat er höchstselbst auf: Philip Glass, Guru des Minimalismus, Meister der endlosen Wiederholung. Im Gepäck hatte er alle seine 20 in den letzten beiden Jahrzehnten entstandenen Klavieretüden. Ein Kraftakt, den er sich in der ausverkauften Gebläsehalle des Duisburger Landschaftsparks mit Maki Namekawa und Dennis Russell Davies teilte. Ein Kraftakt aber auch für das Publikum, das mit einer fast dreistündigen Überdosis pianistischer Banalitäten in Trance und Halbschlaf versetzt wurde.
Orchestral oder elektronisch effektvoll verpackt, bieten Glass‘ tönende Bewegungsstudien durchaus geeignete Kulissen für Film und Bühnenzauber. Auf ein einzelnes Instrument reduziert, noch dazu in der enzyklopädischen Fülle einer Gesamtaufführung aller ähnlich geformter Stücke, wird der Mangel an Substanz jedoch von Nummer zu Nummer deutlicher.
Allenfalls Füllmaterial
Simple rhythmische, harmonische und melodische Floskeln, die die romantischen Meister allenfalls als Füllmaterial verwendeten, werden ohne jede kritische oder ironische Distanz breit ausgewalzt und müssen als Ersatz für fehlende Substanz herhalten. Bewundern kann man immerhin das Geschick, mit dem Glass auf dieser nährstoffarmen Glatze mehr oder weniger virtuose Locken dreht.
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Am Klavier hinterließ der Komponist dabei nicht den sichersten Eindruck, in der formal zerrissenen 17. Etüde wirkte er sogar orientierungslos. Insgesamt interpretierte er seine Werke etüdenhaft trocken. Ähnlich, wenn auch spieltechnisch souveräner, agierte Dennis Russell Davies.
Künstliche Gefühlswelt wirkt peinlich
Größeren Ausdruck legte die Japanerin Maki Namekawa in ihre Vorträge, die ohnehin brillanteste Pianistin des Abends. Damit rückte sie die Stücke freilich noch stärker in die Nähe der stets durchschimmernden Vorbilder von Chopin, Liszt & Co., womit sie den Werken letztlich keinen Gefallen tat. Man hörte in lupenreiner Transparenz die emphatische Fassade einer künstlichen Gefühlswelt, die gewiss einen Teil heutiger Wahrnehmungsgewohnheiten reflektiert, in ihrer Distanzlosigkeit jedoch peinlich wirkt, wenn Glass etwa in seiner letzten Etüde die Musik wie eine billige Kopie der letzten Schubert-Sonaten stocken und zerfließen lässt.
Ein Abend für eingefleischte Fans des Minimalismus. Nicht mehr und nicht nicht weniger.