Oberhausen. Eve Arnold wollte keine Frauenrechtlerin am Objektiv sein. Und doch hat der besondere Blick dieser berühmten Fotografin dem Leben und seinen Berühmtheiten oft ganz andere Seiten abgewonnen. Oberhausens Ludwiggalerie zeigt eine Auswahl ihrer größten Arbeiten
Das ist schon was: Als mittleres von neun Kindern russischer Einwanderer freiwillig den Traum vom Arztberuf in Amerika aufzugeben, nur weil einem ein Freund eine billige Kamera schenkt; kurz nach einem Foto-Schnellkurs zum Vollmitglied der Edel-Fotoagentur „Magnum“ zu werden und damit die erste Frau im Kreise der Weltplatzhirsche um Henri Cartier-Bresson und Robert Capa.
Eve Arnold (1912 - 2012) ist ebenso berühmt geworden für ihre sensiblen sozialpolitischen Reportagen wie für ihre intimen Portraits von Filmstars wie Marlene Dietrich, Joan Crawford, Marilyn Monroe.
Was hatte sie, das andere nicht hatten? Fotografiert man nur mit dem Herzen gut? In der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen kann man sich ab Sonntag auf die Suche nach dem weiblichen Blick begeben: bei einer 128 Fotos starken Hommage an eine der wichtigsten Fotografinnen des 20. Jahrhunderts: Eve Arnold eben.
Models in Harlem
Schwer vorstellbar, dass einer ihrer Kollegen, weiß und männlich, 1951 auf die Idee gekommen wäre, ausgerechnet im harten Harlem eine Fotoreportage von einer Modenschau zu machen. Und dann auch solche: Fotos, die keine Laufstegschönheiten in Designer-Fummeln zeigen, sondern junge Models, die auf einem dunklen Gang hinter der Bühne beseelt in ihre selbst geschneiderten Kleider schlüpfen, stolz auf ihre Handarbeit, ihre schwarze Schönheit, ihre blondierten Haare.
Anja Niedringhaus' Bilder vom Krieg
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Unwahrscheinlich, dass Joan Crawford es einem männlichem Fotografen erlaubt hätte, ihr so nahe zu kommen, dass sich ihr ansonsten mit allen Torturen und Finessen bekämpftes Alter in einem Schminkspiegel buchstäblich entfaltet; und wenn zum Beispiel Elliott Erwitt Marilyn Monroe während einer Drehpause beim konzentrierten James-Joyce-Lesen mit dem „Ulysses“ entdeckt hätte, dann würde das Bild womöglich weniger Respekt als Augenzwinkern patiniert haben.
Keine Frauen-Fotografin
Aber Eve Arnold war durchaus keine Frauen-Fotografin, keine Feministin mit Kamera, und sie wollte es auch nicht sein. Diese zierliche Person war eine einfühlsame, politisch bewusste Frau, die brillant fotografierte und als Magnum-Fotografin eine Humanistin. Sie glaubte an den magischen Augenblick und daran, dass Mitgefühl und Aufklärung die Welt besser machen. Und dass gute Fotos dazu beitragen können.
Sie wollte sehen und sichtbar machen und war, wie Meister Cartier-Bresson, jemand, der hinter der Kamera selbst unsichtbar wurde. Sie mochte keine Posen, was wiederum Stars wie Isabella Rossellini und die „göttliche“ Dietrich mochten, die auch nach den anstrengendsten Proben noch „göttlich“ blieb, hundemüde zwar, aber Diva, natürlich.
Mit hohem Risiko verbundene Reportagen
Den Chef der militanten Black Muslims, Malcolm X, zeigt sie uns dagegen als Virtuosen der Selbstinszenierung, mehr Broadway-like als straßenkämpferisch. Eve Arnold hat den schwarzen Hasspredigern so wenig über den Weg getraut wie den weißen. Oder wie Indiens Premierministerin Indira Gandhi, deren Wahlkampf sie 1978 für Magnum begleitete. Und die sie, wie sie schrieb, „desillusioniert und traurig“ wieder verließ.
Schwer zu sagen, welche Facetten ihres Gesamtwerks am meisten beeindrucken: die mit hohem Risiko verbundenen Reportagen aus Afghanistan, Ägypten und Arabien, wo sie die „Frauen hinter dem Schleier“ suchte und fand. Oder die zum Niederknien hinreißenden Marilyn-Porträts; ob die Hoffnungsstudien in China nach der Kulturrevolution oder die sachlich-dokumentarische Fotoserie über die „ersten fünf Minuten nach der Geburt“, mit der sie auf ihre Weise die Trauer über eine Fehlgeburt zu verarbeiten versuchte.
Ein weiblicher Blick? Eine großartige Fotografin. Eve Arnold mochte Menschen.
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