Dortmund. . Der Kabarettist und Schauspieler übernahm an der Oper in der „Entführung aus dem Serail“ die zentrale Rolle des Bassa Selim. Regisseur und Hausherr Jens Daniel Herzog minimiert die Rolle allerdings auf einen türkischen Macho von Statisten-Form. Überhaupt wird Mozart hier letztlich banalisiert und vergröbert.

Wenn es bei Mozart um die Liebe geht, spielt es keine Rolle, ob man sich in einem Rokoko-Salon oder, wie jetzt in der Dortmunder Premiere der „Entführung aus dem Serail“, vor einer Dönerbude in einem tristen Hinterhof becirct oder bekriegt. Reduziert man das Stück freilich auf eine Liebesgeschichte ohne Rücksicht auf den aufklärerischen, letztlich vorrevolutionären Hintergrund wie Intendant und Regisseur Jens-Daniel Herzog, bleiben logische und dramaturgische Ungereimtheiten nicht aus.

Bassa Selim, die Stimme eines versöhnenden, religiöse, soziale und kulturelle Schranken überwindenden und verzeihenden Humanitäts-Ideals, bildet das geistige Zentrum des Werks. Wenn er in einem von Migranten besetzten Hinterhaus wie ein selbstherrlicher Pate agiert, Konstanze lediglich als ungeduldiger Schürzenjäger begegnet, wirkt selbst der einzige gehaltvolle Satz seiner stark gestrichenen Sprechrolle so deplatziert und unglaubwürdig wie Naturlyrik aus den Fäusten Mike Tysons: „Wen man durch Wohltun nicht für sich gewinnen kann, den muss man sich vom Halse schaffen.“

Türkischer Macho

Herzogs Akzentverschiebung minimiert die Bassa-Figur auf Statisten-Format. Selbst ein versierter und provokanter Schauspieler und Kabarettist wie Serdar Somuncu muss in diesem Umfeld ungewöhnlich blass bleiben. Ein türkischer Macho, der am Ende lästige westliche Bewohner aus einem Wohnsilo ziehen lässt. Mehr nicht. Einer Entführung bedarf es da nicht.

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Immerhin setzt Herzog die facettenreichen Beziehungen zwischen den Figuren und deren Gefühlsschwankungen recht sorgfältig in Szene. Große Rücksicht auf die Musik nimmt er dabei nicht, wenn er innerlich bewegte Szenen wie etwa Belmontes Auftritts-Arie mit szenischem Aktionismus stört oder wenn er es zur Instrumental-Einleitung von Konstanzes Martern-Arie poltern lässt, dass von der filigranen Musik nichts mehr zu hören ist. Zu schweigen von den brutalen Übergriffen Osmins, die sich durch keine Note legitimieren lassen. Insgesamt eine grobe, letztlich banalisierende Inszenierung.

Mozarts Klänge blühen selten auf

Es wundert nicht, dass es auch musikalisch nicht übermäßig sensibel zugeht. Kapellmeister Motonori Kobayashi führt sehr zügig durch den Abend, nicht immer besonders rücksichtsvoll im Umgang mit den Musikern und Sängern. So richtig aufblühen können Mozarts Klänge auch in ihren tiefsten Momenten nur ganz selten.

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Den rundesten stimmlichen Eindruck hinterlässt Fritz Steinbacher als Pedrillo mit seinem geschmeidigen Tenor. Tamara Weimerich als Blonde kann da trotz ihres hübschen Soubretten-Timbres und ihrer agilen Spielfreude nicht ganz mithalten. Gesanglich gehört der Osmin von Wen Wie Zhang zu den Aktivposten der Produktion. Allerdings trüben die ungenaue Aussprache und bedenkliche Vokalverfärbungen die Leistung. Eleonore Marguerre steht die anspruchsvolle Partie der Konstanze souverän durch, vermag zarte Töne ebenso sicher zu treffen wie die Koloraturen in der Martern-Arie. Allerdings verhärtet sich ihre Stimme in den Höhen, so dass es ihr ein wenig an vokaler Wärme fehlt. Kultiviert, aber auch recht brav gestaltet Lucian Krasznec den Belmonte, auch wenn es ihm selbst in dem lockeren Migranten-Milieu der von Mathias Neidhardt ausgestatteten Bühne nicht gelingt, die ohnehin etwas steife Figur mit pulsierendem Blut aufzufrischen.

Obwohl nicht von einer Mozart-Offenbarung gesprochen werden kann: Das Publikum reagierte mit großem Beifall ohne jeden Protest.

Termine: 30. Mai, 7., 13., 20. und 22. Juni sowie 4. Juli (Karten-Telefon: 0231 / 502 72 22).