Düsseldorf. Regie verlässt sich zu sehr auf die bunten Bilder und die optischen Effekte von Bühnenausstattung und Lichtdesign, Rechi vermeidet Aktionismus. Die große Liebe wird zu einer Illusion des armen Werther, und dass sein Schlussduett mit Charlotte kurz bevor er stirbt durchs Telefon geführt wird, ist nur konsequent.
Mit „Werther“, Jules Massenets wohl bester Oper, stellt sich die Deutsche Oper am Rhein mutig der Konkurrenz aus dem Essener Aalto Theater. Ein Kräftemessen mit unentschiedenem Ausgang. Joan Anton Rechi, der in den letzten Jahren mit einer pfiffigen „Cenerentola“ in Aachen und einer verblüffend tiefgründigen „Csárdásfürstin“ an der Rheinoper überzeugen konnte, hält sich auch in der Düsseldorfer Neuproduktion des „Werther“ mit oberflächlichem Aktionismus zurück. Auf den ersten Blick wirkt seine Personenführung geradezu lethargisch, wenn er sich zu sehr auf die bunten Bilder und optischen Effekte von Bühnenausstatter Alfons Flores und Lichtdesigner Volker Weinhart verlässt.
Die Handlung um Werthers Suche nach dem persönlichen Glück ist in eine Waldlandschaft eingebunden, in der Werther Charlottes gar nicht so ideales Familienleben als Inkarnation des Paradieses sieht. Rechi interessiert weniger die gestenreiche Verzweiflung des unglücklich Liebenden, sondern arbeitet sorgfältig die unterschiedlichen Vorstellungen Charlottes und Werthers vom Glück auf Erden aus.
Und die klaffen so weit auseinander, dass sich eine engere und vor allem dauerhaft glückliche Beziehung kaum vorstellen lässt. Das heißt, dass beide mehr neben- als miteinander kommunizieren, dass hier keine nach Thüringen verpflanzte Tristan- oder Romeo-Adaption ihr böses Ende findet, sondern dass die große Liebe lediglich als Illusion Werthers existiert. Dass das Schlussduett mit dem sterbenden Titelhelden und der fernen Geliebten per Telefon geführt wird, ist dramaturgisch konsequent, wirkt aber theatralisch ernüchternd. Hier überzieht Rechi seine Scheu vor klischeehaften Gefühlswallungen und entzieht dem Stück eine Portion praller Theaterwirksamkeit.
Profilierte Randfiguren
Große Mühe gab sich Rechi bei der Profilierung der Randfiguren. Charlottes jüngere Schwester Sophie bildet einen hellen, unbeschwerten Kontrapunkt zur trauerumflorten Kernhandlung, Der an sich eher blasse Albert spielt seine eifersüchtige Abneigung gegenüber Werther drastisch, bisweilen zu drastisch aus und entpuppt sich als aktivste Figur des Stücks. Durchdacht, aber nicht immer stimmig.
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Eine beachtliche Talentprobe liefert der junge Kapellmeister Christian Altstaedt am Pult der Düsseldorfer Symphoniker. Die zart schillernden Farben der Partitur leuchten in bestrickender Zartheit auf. Schade, dass die dramatischen Ausbrüche ein wenig unkontrolliert aus dem Orchestergraben tönen und selbst einen stimmgewaltigen und erfahrenen Sänger wie Sergej Khomov in Bedrängnis bringen können.
Ein einsamer Buh-Ruf
Allerdings kann sich Khomov über die größten Strecken des Abends auf Altstaedt verlassen und eine stimmlich intensive und gewohnt zuverlässige Darstellung der Titelpartie bieten. Katarzyna Kuncio wirkte als Charlotte aufgrund der dezenten Personenführung anfangs sehr verhalten, steigerte sich aber zu einer beeindruckenden Gesamtleistung. Alma Sadé steuert als Sophie federleichte Töne bei und die von Rechi aufgewertete Partie des Albert bekommt durch den bisweilen brutalen Einsatz von Laimonas Pautienius ungewohntes Gewicht. Die restlichen Rollen sind ebenso trefflich besetzt wie die Kinderschar mit dem von Karoline Philippi vorbildlich einstudierten „Kinderchor am Rhein“.
Begeisterte Reaktionen des Publikums, in die sich lediglich ein einsamer Buh-Ruf gegen das szenische Team einschlich.
Die nächsten Termine: 30. April; 3., 11., 14., 17., 22. und 25. Mai. Karten: Tel. 0211 89 25211