Wuppertal. . Das  Dementi  war falsch: Wuppertals neuer Opernintendant wird doch ohne festes Ensemble arbeiten. Das Haus schafft damit neue prekäre Verhältnisse für Künstler, die damit nicht mehr nach Tarif bezahlt werden. Ob der Opernbetrieb dadurch billiger wird, bleibt abzuwarten

Ein Ensemble ist das Rückgrat jedes Opernhauses. Es prägt das künstlerische Renommee und garantiert, dass das Publikum sich mit der Bühne identifiziert. Aber wer den Beruf Opernsänger ergreift, der weiß, dass er kaum reich wird. Immerhin haben sich die deutschen Bühnen auf 1650 Euro brutto Mindestgage geeinigt. Die höchste Gage liegt an kleinen und mittleren Bühnen zwischen 2500 und 2800 Euro.

Die Wuppertaler Oper steigt jetzt aus diesem System aus und schafft neue prekäre Verhältnisse für Künstler. Denn der neue Opernchef Toshiyuki Kamioka will ab der neuen Spielzeit überhaupt nicht mehr mit einem festen Ensemble arbeiten, sondern nur noch mit Gastsängern, die Stück für Stück engagiert werden, und die damit auch nicht nach Tarif bezahlt werden müssen - ein singulärer Schritt an einem mit Steuergeldern finanzierten Theater.

Falsches Dementi

Bereits im Sommer war bekannt geworden, dass der designierte Intendant die Verträge aller elf Sängerinnen und Sänger nicht verlängert. Damals dementierte die Stadt jedoch die Nachricht, Kamioka wolle künftig auf ein festes Ensemble verzichten als „Sommerlochgerücht“.

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Nun informierte Kamioka, der als Chefdirigent der Wuppertaler Sinfoniker so erfolgreich ist, dass die Stadt ihm auch die Oper als Intendant anvertraut, die Beschäftigten, dass er in den nächsten beiden Spielzeiten auf ein eigenes Ensemble verzichten wolle. Gespielt werden soll im Stagione-Betrieb, also wenige Inszenierungen hintereinander weg und nicht Produktionen parallel im Wechsel. Dabei wolle er auf Koproduktionen mit anderen Häusern setzen oder Stücke von anderen Häusern einkaufen. Für ein festes Ensemble würde das Geld nicht reichen.

Mit einem solchen Konzept wird das traditionsreiche Wuppertaler Opernhaus zur Gastspielbühne mit eigenem Orchester reduziert. Denn das Publikum identifiziert sich mit dem stehenden Ensemble, begleitet Sängerinnen und Sänger oft über Jahre hinweg in ihrer Entwicklung – und die Soprane und Tenöre wiederum wirken aus dem Theater ins kulturelle und gesellschaftliche Leben der Stadt hinein.

Diese künstlerischen Argumente sind aber nicht der einzige Grund, warum Adil Laraki, Landesverbandsvorsitzender der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger, in einem offenen Brief an den Wuppertaler Oberbürgermeister Peter Jung dieses Vorgehen scharf kritisiert. „Bei der Umwandlung zur GmbH hat sich die Stadt verpflichtet, dass bei den Wuppertaler Bühnen der Normalvertrag Bühne Anwendung findet. Dass nun Gäste ohne Tarifbindung verpflichtet werden, sehen wir als klare Umgehung des Überleitungsvertrages.“ Laraki fürchtet, dass die ohnehin schwierigen Arbeitsbedingungen von Theaterkünstlern auf ein neues prekäres Niveau gedrückt werden. An Tourneebühnen, die sich finanziell selber tragen müssen, mag das bereits Alltag sein. Doch in der Geschichte eines mit öffentlichen Mitteln finanzierten Theaters wäre dieses Vorgehen beispiellos. „Das wäre nicht nur ein Wortbruch, der uns sprachlos macht, sondern zugleich ein Präzedenzfall, der der gesamten deutschen Theaterkultur unübersehbaren Schaden zufügen könnte“, so Laraki.

Doppelt gedemütigt

Die Sängerinnen und Sänger, die ab Herbst auf der Straße stehen, fühlen sich gleich doppelt gedemütigt. Einerseits, weil sie teils über Jahre hinweg Abend für Abend überzeugende klingende Botschafter ihrer Stadt waren. Auf der anderen Seite hatte Kamioka noch im Sommer verlauten lassen, er wolle die nicht verlängerten Wuppertaler Sänger auf Gastbasis wieder neu verpflichten. Jetzt wird kein einziger aus der alten Garde auf der Bühne stehen. Kamioka soll geäußert haben, die Wuppertaler Sänger, die er angefragt habe, seien zu teuer gewesen. An eine solche Anfrage kann sich jedoch kein Theater-Mitglied erinnern.

Bei der Stadtverwaltung hält man sich mit Kommentaren zurück. Sprecherin Ulrike Schmidt-Keßler gibt die Meinung von Oberbürgermeister Jung wieder: „Herr Kamioka hat als Intendant das Recht, eigene künstlerische Akzente so zu setzen, wie er das künstlerisch verantwortet. Es ist seine Entscheidung, wie er da mit festen und freien Mitarbeitern arbeitet.“