San Francisco. Hollywood-Legende Shirley Temple ist tot. Der ehemalige Kinderstar starb im Alter von 85 Jahren in San Francisco. Schon als kleines Mädchen wurde Shirley Temple zum bestverdienenden Star im US-Film. Vor 50 Jahren wechselte Temple als Republikanerin vom Film-Set in die Politik.

Nicht jedes Wunderkind hat ein Talentspektrum, das bis ins hohe Alter trägt. Aber wann ist der richtige Moment abzutreten? Shirley Temple, das vielleicht vollkommenste Leinwandwesen ihrer Zeit, war lange vor den in Alkohol und Drogen abgedrifteten Jungstars der Moderne ein Paradebeispiel dafür, wie man es mit Glück und Hartnäckigkeit vermeidet, wie Heintje beklatscht, dann brutal ausgenutzt und am Ende vergessen zu werden.

Shirley Temple kommt 1928 als Tochter eines Bankangestellten und einer Hausfrau in Santa Monica zur Welt. Mutter Gertrude, ambitioniert und kompromisslos, weckt das Talent ihrer Tochter per Anweisung. In einem Steptanz-Studio wird die Dreijährige gedrillt und bald von einem Talentscout entdeckt. Nach den Anfängen in der Vaudeville-Serie „Baby Burlesks“ gibt ihr 1934 das Filmstudio Fox einen langjährigen Vertrag.

Traumkarriere als personifiziertes Kindchen-Schema

Während Hitler in den Krieg steuert, macht Temple als personifiziertes Kindchen-Schema Traumkarriere. Sie tanzt und trällert als altkluges Findelkind Ching-Ching in „Stowaway“ von William A. Seiters. Sie ist 1937 „Heidi“, das Kind der Alpen, in dem gleichnamigen Film von Allan Dwan. Der große John Ford lässt sie in „Wee Willie Winkie“ (Rekrut Willie Winkie) als kleine Priscilla Frieden stiften zwischen Engländern und Indern. Bis heute unerreicht die Szene, als die Kindfrau den Soldaten Victor mit einem betörenden „Auld Long Syne“ in den Himmel singt.

Temple, blonde Locken, Pausbacken, Schmollmund und darum inflationär mit Etiketten wie nice, sweet, pretty und cute, niedlich, belegt, wird das amerikanische Wunderkind schlechthin und lindert auf der Leinwand die Trübsal der Depressionszeit. Ihr Erfolg in schmalzigen Melodramen wie „Der kleinste Rebell“ oder die „Die kleine Prinzessin“ sprengt alle bis dahin gekannten Dimensionen. Auf Haarshampoos, Seifen, Comics und Büchertiteln prangt ihr Konterfei. 1937 widmete ihr das amerikanische „Who's Who" bereits neunzehn Zeilen. Sie wird öfter fotografiert als Präsident Roosevelt. Sie kriegt mehr Fanpost als Clarke Gable und Greta Garbo. Sie verdient lange vor ihrer Pubertät mehr als der Chef des Autoriesen General Motors. Ihr Vater verzockt leider davon das meiste an der Börse.

Mit zwölf ist der Ritt auf der Erfolgswelle vorbei

Als sie zwölf wird, ist der Ritt auf der Erfolgswelle abrupt vorbei. Temple-Korkenzieherlocken werden uncool, Temple-Puppen Ladenhüter. Die Filmgesellschaft 20th Century Fox, die der Dreikäsehoch mit den strammen Waden durch 40 Filme vor dem Bankrott bewahrt, mustert das Gör einfach aus. Mit 17 wirft sie sich in eine Ehe mit dem mittelprächtigen Schauspieler John Agar. Ein Fehltritt, aus der Tochter Linda Susan erwächst. Scheidung 1949. Mit 22 ist die junge Frau ein Ex-Mega-Star auf der Suche nach der zweiten Chance. Die heißt Charles Alden Black. Geschäftsmann aus der Elektrikbranche aus Hawaii. Acht Jahre älter. „Es war Liebe auf den ersten Blick“, sagt Temple Jahre später. Hochzeit 1950. Zwei Kinder, Charles und Lori, bereichern die Ehe, die nördlich von San Francisco ihren Lebensmittelpunkt findet und 55 Jahre halten sollte.

Später wechselte Shirley Temple vom Filmset in die Politik.
Später wechselte Shirley Temple vom Filmset in die Politik. © dpa

Durch Black, ein strammer Konservativer, erfindet sich die Temple neu. Sie geht in die Politik, sammelt Millionen für die republikanische Partei, mischt sich ein, auch gegen den Vietnamkrieg, und wird zur Symbolfigur für Frauen, die sich nicht verstecken. 1972 wird ihr eine vom Krebs befallene Brust entfernt. Temple spricht darüber in aller Öffentlichkeit, rät zur Vorsorge und kriegt 50 000 Briefe von Menschen, die auf rührende Weise Anteil nehmen. Was bis in höchste Washingtoner Kreise registriert wird.

Richard Nixon machte sie zur Delegierten bei den Vereinten Nationen, Gerald Ford erst zur Protokollchefin im Weißen Haus und dann zur Botschafterin im afrikanischen Ghana. Unter Präsident George Bush senior die Krönung. Temple wird Botschafterin in der damaligen Tschechoslowakei und erlebte dort 1989 den Sturz des kommunistischen Regimes, die „samtene Revolution, und den Aufstieg ihres Freundes Vaclav Havel zum Präsidenten. Anfang der 90er Jahre kehrt sie, hoch geachtet und inzwischen des Tschechischen mächtig aus Prag nach San Francisco zurück zu Mann, Kindern und Enkelkindern.

Shirley Temple ist am späten Montagabend im Kreise ihrer Familie in ihrem Haus im kalifornischen Woodside friedlich eingeschlafen. Amerikas erster großer Kinderstar wurde 85 Jahre alt.