Der Meister des absurden Humors ist wieder da: Nach längerer Abstinenz kehrt der amerikanische Clown, Magier, Autor und Schauspieler mit einem „Classics”-Programm auf deutsche Bühnen zurück. Wir sprachen vorab mit dem 59-jährigen Comedy-Pionier und lebenden Gesamtkunstwerk.


Mister Edwards, als Berufsbezeichnung geben Sie „Clown und Narr” an. Muss man als Narr eine besondere Ausbildung absolvieren?


Jango: Nein, als Narr wird man geboren. Die Sache ist so: Jeder verlernt im Laufe seines Lebens, ein Narr zu sein. Stattdessen sind wir in Jobs gefangen, die wir nicht leiden können und verlieren unsere Freiheit. Für Narren jedoch gibt es keine Regeln, nur die Gesetze der Natur gelten für uns.


Also kann jeder von uns ein Narr sein?


Jango: Absolut. Es geht nicht darum, sich dumm zu stellen. Sondern darum, sich wieder frei zu fühlen.


Ist das der Weg zum Glück?


Jango: Als Deutscher sagst du: "Unser Land hat die beste Fußballmannschaft!" Aber das behaupten die Franzosen auch von ihrem Team. Wenn du Christ bin, sagst du: "Meine Religion ist der richtige Weg!" Das behaupten Moslems auch von ihrem Glauben. Aber: Es irren sich alle. Denn Tatsache ist: Es gibt keine Regierung, keine Religion, die heutzutage komplett auf dem richtigen Weg ist. Und für mich ist das Clownsein der richtige Weg.


Sind Clowns demnach die einzigen „gesunden“ Menschen?


Jango: Wie viele gesunde Menschen sieht man in der Welt? Nicht viele. Denn die meisten sind Dummköpfe. Im Leben geht es um Gesundheit und Freiheit. Aber die meisten Menschen sind krank und wissen noch nicht einmal, wie krank sie sind. Sie hassen ihr gesamtes Leben. Sie sind einfach nicht glücklich. Sie denken, dass sie andere Menschen lieben, aber sie lieben sich nicht einmal selbst. Man muss ehrlich mit sich umgehen, muss die Wahrheit sagen. Aber die Wahrheit ist schwierig. Kennen Sie einen Politiker, der die Wahrheit sagt? Nein! Alle lügen, aus unterschiedlichen Gründen. Es geht also darum, ehrlich zu sein. Und das Verrücktsein ist eine Möglichkeit, das zu tun. Wenn man den einen belügt und den anderen auch, kann man nicht gesund bleiben. Weil man sich irgendwann nicht mehr daran erinnern kann, wem man jetzt welche Lüge erzählt hat.


Aber Freiheit bedeutet Anarchie. Ist das Ihr Ziel?





Jango: Nein. Das Chaos ist eine zerstörerische Kraft. Früher, in den 60er Jahren, war ich Teil der anarchistischen Opposition. Aber all die Leute, die damals mitgemacht haben, sitzen mittlerweile in irgendeiner Regierung und lügen sich was in die Tasche. Wenn ich meine Vorstellungen umsetzen könnte, dann gäbe es kein Geld mehr. Wir würden einfach wieder Waren tauschen. Ein Beispiel: Ich war in Russland, als die Kommunisten dort das Sagen hatten. Und ich war kürzlich wieder da. Auf eine Art hatten die Menschen im Kommunismus mehr Freiheiten, als sie heute haben. Die Schere zwischen Reich und Arm geht da jetzt viel weiter auseinander.


Sie haben die „Church Of Grin” gegründet – die „Kirche des Grinsens”. Sind Ihre Shows jetzt also auch Gottesdienste?


Jango: Ich bin doch kein verdammter Priester! Die „Church Of Grin” ist auch keine Kirche im klassischen Sinn, sondern eher eine Philosophie. Aber: Manche Menschen sehen in mir tatsächlich so etwas wie einen Priester. Dabei bin ich gar nichts Besonderes.


Warum haben Sie sich in Deutschland so rar gemacht?


Jango: Bei euch war ich eine Zeit lang so etwas wie eine Ikone und auf großen Festivals zu Gast. Aber für mich war das nicht wichtig. Ich bin dann lieber in anderen Ländern aufgetreten, wo die Leute mich noch nicht kannten. Zum Beispiel in Russland. Die Universität Moskau hat mich sogar zum Doktor ernannt – Doktor Edwards!


Gratuliere! Sie haben früher in deutschen Filmen wie „Zärtliche Chaoten 2” mitgespielt – blieb Ihnen ein Werk besonders in Erinnerung?


Jango: Nein, keines. Die waren alle schlecht. Ich war toll, aber die Filme waren miserabel.


Warum sind Sie fast nur in Europa unterwegs? Haben Ihre Landsleute in den Staaten keinen Sinn für Ihren Humor?


Jango: Amerika ist ein so verflucht junges Land, Mann! Keine Kultur! In den Staaten kannst du nur was reißen, wenn du dich in diese Comedy-Industrie eingliederst. Die halten mich da für verrückt.


Sind Sie denn nicht verrückt?


Jango: Nein, natürlich nicht. Ich bin ein Mysterium! Und ich bin sehr organisiert.


Ein organisierter Narr?


Jango: Genau. Im Moment sitze ich hier mit Leuten und wir unterhalten uns darüber, eine neue Comedy-Schule in Barcelona auf die Beine zu stellen. Und ich organisiere eine mobile Clownsstadt, einen Zirkus mit sechs Zelten, der durchs Land zieht – eine Stadt innerhalb einer Stadt. Ich arbeite immer an neuen Projekten, aber auf der Basis von Freiheit.


Sie sagen: Das Clownsein ist eine Lebensaufgabe – hat ein Clown also niemals frei?


Jango: Nie! Clownsein ist ein Rund-um-die-Uhr-Job. Doch das ist okay. Mein Körper mag 59 Jahre alt sein, aber meine Seele ist die eines 7-Jährigen. Die Bühne ist nicht das Wichtigste. Heute unterrichte ich junge Menschen. Das habe ich früher auch gemacht: Nina Hagen, Spliff und Schroeder Roadshow waren meine Schüler. Ich habe sogar diesen einen Sänger in Lederhosen unterrichtet, der immer den Blues hat - wie hieß der noch? Udo Lindenberg!


Sie haben auch Schauspielerinnen wie Vanessa Redgrave und Grace Jones unterrichtet – war ihr Unterricht nicht erfolgreich? Über beide habe ich bislang eher selten lachen können...


Jango: Die Sache ist die: Ein großer Clown muss auch das Drama beherrschen. Ich spiele eine Menge dramatische Rollen, habe auch zuletzt in einem Film eine dramatische Rolle gespielt. Nimm doch nur Marlon Brando oder Robert DeNiro – das waren und sind großartige Clowns, Mann! Deshalb sind auch ihre dramatischen Rollen so großartig.


Hätten Sie nicht auch Lust auf eine dramatische Rolle? "King Lear" vielleicht?


Jango: Pfft, habe ich schon gespielt, Mann! Ich kann dir nicht nur eine Show bieten, sondern tausende! In Barcelona besitze ich ein kleines Theater – in den letzten drei Jahren habe ich dort 102 verschiedene Stücke aufgeführt. 102!


Klingt toll...


Jango: Klar, aber jede Woche ein neues Stück – das bringt mich irgendwann noch um.


Hoffentlich nicht. Vielen Dank fürs Gespräch.


Jango (auf Deutsch): Jaja, Auf Wiedersehen, Schatzi!

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