Düsseldorf. . Elsa von Brabant kommt nicht mehr ohne Pflegekräfte aus. Lohengrin scheint mal mit „Occupy“ protestiert zu haben. Und das Reich ist ein großes Bankhaus. Die Neuinszenierung von Wagners „Lohengrin“ an der Rheinoper transferiert den Stoff ins Finanzwesen. Doch viele ihrer Vergleiche hinken.
Die Sehnsucht nach Erlösern in unserer Welt hat sich verlagert. Die Kirchen sind leer, die Heilsversprechen der Märkte umso größer. Geht es einem Unternehmen schlecht, wachsen sie noch. Die Helden sind Charismatiker mit Außenseiterstatus, mal nennen sie sich Middelhoff, mal Berggruen. Sie drehen einen ganzen Laden um. Und meist sind sie schneller weg als die Firma sich erholt hat.
„Du liebe Zeit, das ist ja wie bei Lohengrin!“, könnte Regisseurin Sabine Hartmannshenn angesichts dessen gedacht haben. An Düsseldorfs Rheinoper scheint das Bankhaus Brabant jedenfalls in einiger Not. Die alte Garde hat gepatzt. Das nutzt ein großmäuliger Schurke (bei Wagner: Telramund, eine Art Truchsess und Thronfolger-Kindergärtner), die Nachfolgefrage zu stellen. Derweil kommt eine exponierte Kraft des Unternehmens (bei Wagner: Telramunds Schutzbefohlene Elsa) schon nicht mehr ohne Tranquilizer in die Vorstandssitzung.
Kämpfer mit Geldkoffer und Nadelstreifen
Man könnte weiter aufzählen, was Hartmannshenn für ihren „Lohengrin“ an Aktualisierungen bemüht. Es ist der Rede kaum Wert und oft ungereimt. Geldkoffer stimulieren Genitalien, Derivat-Depeschen ersetzen Schwerter, Nadelstreifen Rüstungen! Was der deutsche Stadttheaterbetrieb seit 30 Jahren von Shakespeare bis Verdi eben zu buchstabieren nicht müde wird.
Geld und Gier in Marmorhallen
In Dieter Richters Marmorhallen-Bühne müht sich das Ensemble, (bei unscharf choreographierten Massentableaus) von Geld und Gier zu erzählen. Opernzauberei Adieu. Die Flautegeplagten setzen auf jenen Exoten, der in Jeans und Turnschuhen (Occupy, ick hör dir trapsen) den starren Sesselpuper-Laden aufmischt. Lohengrin, der weiße Ritter, von dem das Unternehmen mit einem Wirtschaftskapitän namens König Heinrich sich Rettung verspricht, schweigt sich bekanntlich über seinen Namen aus. Als ihm seine Braut Elsa ihn endlich entlockt, muss er die Koffer packen. War es das Bankgeheimnis?
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Der Abend hat kurze hübsche Momente, am intensivsten aber ist er da, wo der ganze Kapitalismus-Kokolores schweigt. Da hassliebt auf fast leerer Bühne die Hexe Ortrud (Susan Maclean) mit heißen Küssen den personifizierten Erfolg namens Elsa. Und Wagners Orchester, das so viel mehr zu sagen hat als diese schlichte Hedgefonds-Travestie, erzählt dazu aufwühlend hellsichtig vom Glück der anderen.
Düsseldorfs Philharmoniker spielen konzentriert und spannend
Axel Kober führt Düsseldorfs Philharmoniker eher konzentriert-linear als gleißend-ekstatisch durch den Abend. Das Ergebnis ist eine einnehmend geschlossene Klangdramaturgie, sehr dicht, es gibt kaum Spannungseinbrüche.
Jubel über Jubel für den Chor (das Piano der Herren: Weltklasse!) und erst für Hans-Peter Königs Heinrich: ein deutscher Meistersinger, noch in Wagner-Rage ein Basso Cantante. Susan Maclean stürzt sich ohne Rücksicht auf Verluste in Ortruds mörderischen Mezzo-Part – Gesang am Abgrund, mutig, beeindruckend. Manuela Uhl ersingt sich die Elsa im Laufe des Abends solide, im Piano bleibt es trüb. Tenorstar Roberto Saccà als Gast (von Bühnen-Pannen gestört!) schenkt dem Titelpart reichlich Italien-Sehnsucht und geschmeidige Attacke. Wer wollte ihm nicht huldigen?
Als Ergebnis eine schwarze Null
Nach dem Tannhäuser-Flop vom Rhein (Nazi-Parabel, Pseudo-Eklat, einmal gespielt und nie wieder) ruhten reichlich Hoffnungen auf der nächsten Wagner-Deutung. Das Publikum duldet den Abend, die Regie erhält ermüdeten, weitgehend toleranten Beifall. Das ist allenfalls eine schwarze Null. Von künstlerischer Dividende zu sprechen, wäre wohl ein ungedeckter Scheck.
Rheinoper, Lohengrin. Termine im Januar: 23., 26., 30. Februar: 2.,8., 16. Karten: Tel. 0211-89 25211