Oberhausen. . Die Ludwiggalerie Schloss Oberhausen zeichnet mit der Ausstellung „Andy Warhol. Pop Artist“ den Erfolgsweg des Künstlers nach, der im vergangenen Jahr auf dem Kunstmarkt so hohe Umsätze erzielt hat wie sonst keiner seiner Kollegen.

Was hat er nicht alles versucht, um die Kunst und Künstler vom Sockel zu holen: hat sich von Kaufhäusern und Zeitungen inspirieren lassen statt von Musen und Museen; hat statt Königen Comic-Figuren gemalt, statt Landschaften Suppendosen, hat statt Ölgemälden Siebdrucke hergestellt und das gleich in Serie. Und hat das oft nicht einmal selbst getan, sondern Freunde und Assistenten machen lassen. Oder die Mama. Und was passiert? Fast dreißig Jahre nach seinem Tod erzielen Warhol-Werke auf dem Kunstmarkt Phantasiepreise und Andy Warhol gilt als einer der einflussreichsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Wie das passieren konnte, lässt sich in der neuen Ausstellung in der Ludwig-Galerie Schloss Oberhausen zumindest erahnen: „Andy Warhol. Pop Artist“.

Goethe und die Suppendosen

Ein knallbunter Goethe, zehn von Campbell’s Suppendosen, Marilyn Monroe dreifach. Wer das Schloss betritt, weiß sofort Bescheid: Hier regiert der König der Pop Art, und dies sind seine weltbekannten Kronjuwelen. Sie wirken unverschämt und frisch, als hätten sie nicht – tausendfach in Ausstellungen, Katalogen, Büchern, Postershops gesehen und auf T-Shirts und Kaffeetassen verkitscht – schon 40, 50 Jahre auf dem Buckel. Wer sich umdreht, lernt, wie brav und bieder das alles begann:

Nach einem Studium der Bildgestaltung in Pittsburgh nämlich mit Werbeanzeigen für die Schuhfirma I. Miller. Da sehen wir einen Damenschuh samt schönem schlanken Damenbein, eine aquarellierte Offsetlithographie. Diese hier ist 1955 in der New York Times erschienen. Da hatte Andrew sich schon in Andy umbenannt und für die wöchentliche Miller-Schuh-Reklame eine Auszeichnung vom Art Directors Club eingeheimst. Und verdiente 50 000 Dollar im Jahr.

Gegenüber Geld empfand Warhol von Anfang an ebenso wenig Berührungsängste wie gegen die US-Alltagskultur und -Warenwelt, die er umso konsequenter zu seinem Motiv machte, je brachialer sie Platz in den Räumen und Seelen der Menschen beanspruchte. Waren nicht Kaufhäuser auch eine Art von Museum? Waren nicht vor Coca Cola alle gleich, der US-Präsident und der ärmste Schlucker? Und waren nicht dreißig Mona Lisas besser, demokratischer als nur eine? War nicht ein bezahlter Auftrag besser als das Warten auf eine göttliche Eingebung? Und war nicht in der Massenkonsumgesellschaft auch in der Kunst die Fließbandproduktion zeitgemäßer als die einsame Originalhuberei?

1962 hatte er, zeitgleich mit Roy Lichtenstein, „seine“ Technik gefunden: den Siebdruck. Nun entstanden, beliebig reproduzierbar und in der „Factory“ reproduziert, die „Disaster“-Bilder und die Starporträts, von denen in Oberhausen eine stattliche Anzahl zu sehen ist: die Marilyn-Serien, die Maos, die berühmten Kühe. Wobei jede schrille Marilyn zu sagen scheint: Ja, das ist hip und schön und bunt. Aber das bin nicht ich. Das ist nur, was ihr von mir sehen sollt und wollt. Nur die Oberfläche ist das, und darunter ist – nichts.

Später hat Warhol diesen Doppelblick aus Huldigung und Subversion, Oberfläche und Underground auf die Kunstgeschichte ausgedehnt: in den raffinierten und irgendwie rotzigen „Paraphrasen“-Bildern, Zitaten von Botticellis „Geburt der Venus“ bis zu Leonardos „Verkündigung“, Ikonen von Ikonen.

Fotoschau im ersten Stock

Blicke auf die Person Andy Warhol erlaubt eine Fotoschau im ersten Stock. Hier

dokumentieren selten gezeigte Schwarzweiß-Fotos von Leo Weisse den Filmemacher Warhol auf einer Werbetour für „Trash“ 1971. Die Silberperücke auf Neuschwanstein, in West-Berlin, im Regen. Ist das der „wahre“ Andy Warhol? Oder finden wir den in der Abziehbanane auf dem Plattencover für „The Velvet Underground“? Oder hinterm Reißverschluss auf „Sticky Fingers“ von den Stones? Eher in seinen Filmen, Buch-Illustrationen oder doch in der Schuhreklame? Im Diamantenstaub auf dem Selbstporträt, das neben Marilyn auf Augenhöhe hängt? Gibt es überhaupt einen Andy Warhol hinter der Allround-Ikone?

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