Essen. . Wer sich an Astrid Lindgren erinnert, denkt an Michel, Bullerbü, Pippi Langstrumpf, an ein unbeschwertes Leben. Wie wenig dies mit dem wahren Leben der Autorin zu tun hat, zeigt auch eine neue Biografie. Birgit Dankert bringt den Menschen hinter der Erfolgsgeschichte ans Licht.

Die Wissenschaftlerin Birgit Dankert beleuchtet nicht nur die Erfolge der schwedischen Schriftstellerin, sondern verweist auch auf die Abgründe in Lindgrens Leben (1907 – 2002). Dankert erzählt von dem in Scheidung lebenden Mann, der sich nicht zu Astrid Ericsson und dem gemeinsamen Kind Lars bekannte.

Von der heimlichen Geburt 1926 in Kopenhagen, nach der die unverheiratete Frau wieder abreiste – ohne ihr Kind. Sie ließ es bei einer Pflegefamilie, um in Schweden nicht in Schande zu leben oder Lars ein Leben im Heim zuzumuten. Die Schuldgefühle begleiteten Astrid Lindgren, als sie den Jungen zu sich holt. Und auch noch, als er erwachsen und alkoholsüchtig stirbt, wie zuvor sein Stiefvater: Sture Lindgren.

Es sind diese Schattenseiten in Astrid Lindgrens Leben, die sie vielleicht auch erst zum Schreiben brachten, als Flucht vor der Wirklichkeit, zurück an einen Ort, an dem sie sich wohlgefühlt hat: ihre Kindheit in Småland. Lindgren, die selbst kein Bullerbü-Leben führte, schien sich mit ihren Geschichten ein Paradies zu erschaffen, in das kleine und große Leser auch heute noch gerne fliehen. Dankert: „Sie schrieb im Dialog mit einem Teil ihrer selbst, dem trostbedürftigen Kind.“

Ihre Bücher wurden in mehr als 70 Sprachen übersetzt

Das brachte ihr den größten Erfolg ein, den sich eine Kinderbuchautorin vorstellen kann. Bereits 1965 wurde sie mit dem Schwedischen Staatspreis für Literatur für ihr Lebenswerk geehrt. Ihre Bücher wurden in mehr als 70 Sprachen übersetzt. Nur den Literaturnobelpreis bekam sie nicht. Weil sie ja „nur“ Kinderbücher schrieb.

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Von Maren Schürmann u. Britta Heidemann

Birgit Dankert verweist auf reale Vorbilder für die literarischen Figuren. So dachte Lindgren an eine Jugendfreundin, deren Schönheit sie bewunderte und die ihr sehr nahestand, als sie Madita erfand. Und wie Ronja Räubertochter und Pippi Langstrumpf hat auch die Autorin selbst ihren Vater sehr verehrt, während die (eigene) Mutter kaum oder eine strenge Rolle spielte.

Der entzauberte Mythos

Die Biografie der Hamburger Professorin für Bibliotheks- und Informationswissenschaften verspricht zwar kein großes literarisches Vergnügen. Dafür ist es Dankert gelungen, die verschiedenen Seiten im Leben der Schriftstellerin zu beleuchten.

Sie hat wissenschaftlich genau recherchiert, ohne Klischees aufzugreifen. Dadurch entzaubert sie den Mythos Astrid Lindgren – und bringt den Menschen hinter der strahlenden Erfolgsgeschichte ans Licht.

  • Birgit Dankert: Astrid Lindgren – Eine lebenslange Kindheit. Lambert Schneider, 320 Seiten, 24,90 Euro