Essen. Wir haben aktuelle Kinder- und Jugendliteratur durchstöbert und gelesen, um die Geschichten aufzuspüren, die den Gabentisch und junge Leser wirklich bereichern. Hier nun die Empfehlungen für die Kleinsten und die Großen, mit weisen und humorvollen Geschichten, die auch nach dem Fest noch Freude machen.

Ab 3 Jahre: Jedes Kind träumt einmal davon, wie ein Vogel zu fliegen. Auch das Maulwurfskind in dem Bilderbuch von Oliver Scherz wünscht sich: „Ich will fliegen!“ Der Maulwurf fragt so manches Tier um Rat. Die Kuh versteht nicht: Es ist doch alles gut so wie es ist – vorne Gras rein, hinten Fladen raus. Und der Storch antwortet arrogant: „Fliegen ist eine Kunst!“ Nur die Eule gibt den richtigen Tipp: „Flieg doch mit den Ohren“. Hören kann der Maulwurf, und das besonders gut.

Schon lauscht er dem Wind und rauscht gedanklich davon. „Der kleine Erdvogel“ (Beltz, 32 S., 12,95 €) ist eine warmherzige Geschichte, die Kinder mit ihren Wünschen und Stärken ernst nimmt. Eva Muggenthaler hat das Buch detailreich illustriert. Kleine Zuhörer werden auch nach mehrmaligem Blättern hier noch eine Fliege und dort ein Flugzeug entdecken.

Ab 5 Jahre: Wie fühlt sich ein Junge, der noch in den Kindergarten, aber bald zur Schule geht, der einen großen Bruder hat und eine kleine Schildkröte zum besten Freund?

Er fühlt sich wie „Ben“ (Thienemann, 103 S., 12,95 €). Ben, der seine Eltern vermisst, wenn er bei den Großeltern schläft – und umgekehrt. Ben, der es nicht mag, wenn die Mutter sagt: „Es ist nicht schlimm.“

Die Spritze in den Po dann aber doch schlimm ist. Selten nehmen Autoren von Kinderbüchern so überzeugend die Sicht des Kindes ein. Auch diese wunderbaren Vorlesegeschichten mit liebenswürdigen Zeichnungen von Annette Swoboda hat Oliver Scherz geschrieben – mit viel Herz und feinem Humor, der Vorleser schmunzeln lässt.

Ab 9 Jahre: Die zehnjährige, genauer: zehneinhalbjährige! Pym findet ihre Familie peinlich, langweilig, chaotisch. Und streiten tun sich ihre Eltern und ihre Geschwister auch ständig. Wie anders sind doch die Familien ihrer Mitschüler! Für die Schule soll sie aber über ihr Zuhause einen schönen Text schreiben.

Da flunkert Pym lieber und erfindet spannende Geschichten, in denen der Urgroßvater zum Mond fliegt und ihre nervige Schwester in China adoptiert wurde. „Glatt gelogen – Die schrägste Familie der Welt“ (Dressler, 240 S., 12,95 €) heißt dieses kleine Plädoyer fürs Unperfektsein, das die Norwegerin Heidi Linde geschrieben hat.Am Ende merkt Pym, dass die eigene Familie mit all ihren Macken doch gar nicht so übel ist.

Ab 12 Jahre: Dieses Buch könnte bei jungen Lesern der entscheidende Funke sein, um ein Lesefeuer zu entfachen. So spannend und fantasiereich hat Jonathan Stroud die Geschichte geschrieben: „Lockwood & Co. – Die seufzende Wendeltreppe“ (cbj, 413 S., 18,99 €).

Der Autor der beliebten Reihe über den Dschinn Bartimäus hat ein charmantes Trio erdacht, das sich in London auf Geisterjagd spezialisiert. Denn seit einigen Jahren suchen die Gespenster mehr oder weniger unschuldige Menschen auf, um ihnen mit einer innigen Umarmung das Leben zu nehmen.

Doch nur Kinder können die Geister sehen, hören oder auch spüren. Mit Anfang 20 verkümmert die Gabe. Daher sind die Geisterjäger Lucy, Anthony und George selbst so jung wie die Leser. Sie zeigen nicht nur Wesen aus dem Jenseits, sondern auch Erwachsenen die Stirn. Ohne Smartphone, dafür mit Köpfchen und Degen — und wie es sich für London ziemt: mit viel Tee. Der Auftakt einer fesselnden und geistreichen Buchreihe!

Ab 14 Jahre: Kirsten Boie ist bekannt für unterhaltsame Kinderbücher: Ritter Trenk oder Seeräubermoses. Zwischendurch nutzt die Autorin jedoch ihre Popularität, um Geschichten zu schreiben, die ihr wirklich am Herzen liegen. Vier davon stehen nun unter dem Titel: „Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen“ (Oetinger, 112 S., 12,95 €)

Zum Glück erzählt Boie sie doch: Von dem Mädchen in Afrika, das nicht zur Schule gehen darf, weil es keine Schuhe hat. Von dem Jungen, der nun der „Mann im Haus“ ist, nachdem seine Eltern an Aids gestorben sind.

Boie war selbst in Swasiland und hat Kinder wie diese kennen gelernt. Sie teilt nicht auf in Schwarz und Weiß, in Gut und Böse. Sie erinnert an wahre Werte. Und wie kostbar vieles sein kann, was in einem reichen Land selbstverständlich ist. Zum Beispiel Papier, um Geschichten aufzuschreiben.