Essen. . Heinz H. Menges Buch „Mein lieber Kokoschinski!“ ist eine fortgesetzte Liebeserklärung an den Ruhrdialekt. Es fördert viele ältere und jüngere Entwicklungen im Revierdeutsch zutage – und stellt klar, dass der Einfluss des Plattdeutschen viel größer war als alle Prägungen durch polnische Einwanderer.
Heute gibt es zwei Sorten von „tschüss“: Das eine, ganz kurz ausgesprochen, ist wie das gute alte „ade“; das andere hat eine „zweitonige“ Aussprache („tschü-üs“) und bedeutet eher „Auf Wiedersehen“. Im Ruhrgebiet ist zudem das im Rheinland übliche „Tschö“ auf dem Vormarsch. Das jedenfalls hat die letzte amtliche „Tschüss“-Erhebung von 2003 ergeben.
Es sind Beobachtungen wie diese, die das Loblied des Bochumer Germanisten Heinz H. Menge auf die „farbigste Sprachlandschaft Deutschlands“ so klangvoll wie alltagsnah machen. Und ob es wirklich ein Zufall ist, dass es im Deutschen nur zwei Wörter gibt, in denen ein O vor einem CH lang ausgesprochen wird – Maloche und Bochum?
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Menge räumt mit vielen Vorurteilen über das Ruhrdeutsch auf, etwa dass es stark von der Sprache der polnischen Einwanderer beeinflusst worden sei. Außer dem polnischen Hammer namens Mottek ist kaum etwas festzustellen, was polnische Wurzeln hätte; ein Beispiel dafür, dass das Revier sprachlich weniger ein Schmelztiegel war als oft angenommen, ist die Erinnerung an den aus Bochum stammenden Bundesminister Hans Matthöfer (1925-2009), dessen Großvater den polnischen Namen Maciejewski gegen den deutschen eintauschte.
Und die berüchtigte Gleichsetzung von „dem“ und „den“, von Akkusativ und Dativ? Stammt aus dem Plattdeutschen! Und wahrscheinlich waren es hochdeutsche Lehrer, die den Kindern im Revier die Plattdeutsch-Wendungen mit den Worten „Das ist doch Polnisch!“ austreiben wollten.
Auch kleine Wörter wie "woll" und "ne" werden untersucht
Als detailgenauer Sprachforscher kümmert sich Menge auch um kleinste Wörter wie „woll“ und „ne“, die als „Rückversicherungspartikel“ bei Behauptungen wie „Dat is stark“ angehängt werden. Die Grenze zwischen „woll“ und „ne“ sei früher zwischen Dortmund und Castrop-Rauxel verlaufen. Inzwischen sei das „ne“ auch in früheren „woll“-Gebieten auf dem Vormarsch, und Menge sieht darin eine Vereinheitlichungstendenz im Ruhrgebiet – ganz so, wie man in Hagen „dat“ sage, wenn man sich mit dem Ruhrgebiet identifiziere, währende dessen Gegner standhaft beim „das“ bleibe.
Menges Beobachtungen sind nicht sonderlich systematisch dargelegt, und schleicht sich auch die eine oder andere Abschweifung (wie der Vorschlag, alle 53 Kommunen im Regionalverband Ruhr mit den Vornamen „Ruhrstadt“ oder „Ruhrgemeinde“ auszustatten oder die Details von Otto Rehhagels TuS Helene und sehr bald schon nicht mehr aktuelle Tabellenstände der Kreisliga A in Essen-Nordwest) in das Büchlein. Und ob wirklich alle Leser wissen wollen, welches der Lieblingssender des Autors ist?
Amüsant zu lesen ist es allemal.
Heinz H. Menge: Mein lieber Kokoschinski! Der Ruhrdialekt. Aus der farbigsten Sprachlandschaft Deutschlands. Henselowsky Boschmann, 127 S., 9,90 €.