Essen. . Ab Donnerstag in unseren Kinos: „Inside Llewyn Davis“ von den Regie-Brüdern Ethan und Joel Coen führt zurück in die Folk-Szene von Greenich Village und seine Folk-Clubs der frühen 60er-Jahre. Es ist eine filmische und musikalische Verbeugung vor einem Verlierer.
Das New York des Jahres 1961 und sein Künstlerviertel Greenwich Village das ist inzwischen zu so etwas wie einer Legende geworden. Was vor allem daran liegt, dass in den dortigen Folk Clubs zu dieser Zeit die Weltkarriere eines jungen Mannes aus Hibbing, Minnesota, begann, der sich den Künstlernamen Bob Dylan gegeben hatte. Dass es damals auch unzählige Künstler gab, die nie einen Durchbruch erlebten, das vergisst man dabei gerne. Die Regie-Brüder Joel und Ethan Coen haben das nicht getan, sie hatten in ihren Filmen schon immer ein Herz für die Verlierer dieser Welt, für die Kehrseite der Medaille. Ihr neuer Film „Inside Llewyn Davis“ zeigt deshalb einen Titelhelden, der seine Musik ernst nimmt und sie verdammt gut vortragen kann, der aber auf eine Weise kompromisslos ist, dass er damit nie auf einen grünen Zweig kommt.
Zusammenfluss von Gitarre und Gesang
Llewyn Davis, wunderbar verkörpert von dem bisher kaum bekannten Oscar Isaac, tourt quer durch die Clubs des Village, um sich als Solo-Folksänger zu etablieren. Doch er hat es mit seinem historischen Liedgut ziemlich schwer gegen all jene, die mit weichgespültem, massenkompatiblem Folk rasch an Plattenverträge kommen.
Llewyns erstes Album jedoch hat sich als wahres Senkblei in den Regalen erwiesen, ein zweites Angebot ist nicht in Sicht. Wem die Sympathie der Coens gehört, wird schnell erkennbar. Wenn der vollbärtige Davis singt, rückt die Kamera sehr dicht heran, um den künstlerischen Zusammenfluss von Gesang und Gitarre nur ja in jeder Phase zu dokumentieren. Die aufgekratzten Songs fröhlicher Folk-Leichtfüße, die manchmal verdächtig nach Peter, Paul & Mary aussehen, werden hingegen frontal angegangen, als wolle man sie an den Pranger stellen.
Ein langes Winter-Gedicht
Llewyns künstlerische Ambitionen bringen es mit sich, dass er von der Hand in den Mundleben muss. Er besitzt kein eigenes Zimmer, seinen Schlafplatz sucht er sich auf den Sofas von verbliebenen Freunden, deren Frauen vor ihm nie ganz sicher sind. Jean (Carey Mulligan) beispielsweise, verheiratet mit dem Folk-Verräter Jim (Justin Timberlake), ist gerade von ihrem Logiegast schwanger geworden und fordert Geld für die Abtreibung. Wieder einmal steht Llewyn mit seiner Gitarre auf der Straße, wo es ziemlich kalt Ist: Der in der zeitlichen Ausdehnung einer Woche spielende Film ist ein einziges langes Winter-Gedicht, von Kameramann Bruno Delbonnel gekleidet in Bilder aus Schwarz und Weiß und manchmal auch aus Brauntönen. Wahrscheinlich wäre ein Sommer im Greenwich Village auch völlig fehl am Platze.
Amüsant
Noch nie hat ein Film der Brüder Coen reines Drama sein dürfen, und auch hier bricht sich der subtile Humor der beiden Filmemacher immer wieder bahn. Über das geradezu manische Eigenbrötlertum ihres Helden darf man sich hier genüsslich amüsieren, wie auch über die Schwierigkeiten Llewyns, zumindest gelegentlich mit der Außenwelt in Kontakt zu kommen.
Seine Suche nach der entlaufenen Katze (beziehungsreicher Name: Ulysses) eines gönnerhaften Ehepaares amüsiert ebenso wie sein Ausbruchsversuch in Richtung Chicago, wo er hofft, im „Gate of Horn“-Club auftreten zu dürfen. Wie schon die Katze, so ist auch dieser Name ein deutlicher Verweis auf die „Odysse“, wo Penelope es das „Tor der wahren Träume“ nennt. Die Träume eines Llewyn Davis aber zerschellen jedes Mal.
Und dann kam Robert Zimmerman...
In der ersten Sequenz des Films wird Davis auf dem Hinterhof des Gastlight Café von einem Mann brutal zusammengeschlagen. Der Vorgang wiederholt sich am Ende, nur weiß man jetzt, warum es zu dieser Tätlichkeit kommt. Das Leben, so scheint es, ist für Llewyn Davis eine endlose Schlaufe des Misserfolgs, aus der er sich nicht befreien kann. Zur gleichen Zeit aber hat drinnen im Gaslight ein nur schemenhaft erkennbarer Bob Dylan seinen ersten Auftritt. Was für ein grandioser Schlussakkord für einen großartigen Film.
- Oscar Isaac ist auf der Leinwand bisher ausschließlich in Nebenrollen aufgetreten. Er war unlängst in „Das Bourne-Vermächtnis“ zu sehen, spielte in Madonnas Film „W.E.“ und hatte einen Part in Nicolas WindingRefns „Drive“.
- Wie schon bei den Coen-Filmen „O Brother, Where Art Thou“ und „Ladykillers“ ist auch diesmal wieder der Musiker T. Bone Burnett für den Soundtrack verantwortlich.
- Für die Musik wurde Marcus Mumford engagiert, dessen Gruppe Mumford & Sons sich stark an amerikanischen Folktraditionen orientiert.