Essen. Der Ausnahmeschriftsteller Hans Magnus Enzensberger, der Antreiber, der Beunruhiger, feiert heute seinen 80. Geburtstag

Hans Magnus Enzensberger ist der Beweger, der Antreiber, der unruhige Geist unter den deutschen Intellektuellen der Gegenwart. Und er ist ein Ausnahmeschriftsteller, der es wie keiner seiner Kollegen sonst versteht, auf weit auseinanderliegenden Feldern zu brillieren: Seit seinem lyrischen Debüt „die verteidigung der wölfe“ (1957) begleitet der Mann, der in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs in den „Volkssturm“ der Nazis gezwungen wurde, die Zeitläufte mit Gedichten, die der Gegenwart eine Gedankenmusik mit Kontrapunkt vorspielen.

Noch mehr aber ist Enzensberger mit seinen Essays dem öffentlichen Denken fast immer einen Schritt voraus – seit seiner Gründung des „Kursbuchs“, dem Diskussionsforum der 68er-Revolte in Deutschland, dessen Bedeutungslosigkeit mit Enzensbergers Weggang Mitte der 70er Jahre ständig zunahm. Überhaupt: Er liebt die Erotik des Aufbruchs, sein Wappenheld ist der „Fliegende Robert“ aus dem „Struwwelpeter“, der lieber das Ungewisse riskiert als in der Sicherheit des Gewohnten zu verharren. Die kritische Prüfung des Vertrauten, die Enzensberger in tänzerisch eleganten Gedankenzügen und -sprüngen vornimmt, ist dabei stets produktiv gewesen. So hat er dem Publikum vom Hörspiel bis zum Roman („Der kurze Sommer der Anarchie“), vom Theaterstück bis zum Kinderbuch („Esterhazy“) in beinahe jeder literarischen Form ein Musterstück seines Könnens vorgesetzt, nicht zuletzt hat er mit der Gründung der „Anderen Bibliothek“ 1985 die Buch-Kultur auf neues Niveau gehoben. So steht nicht zu erwarten, dass der heutige 80. Geburtstag dieses wahren Homme de Lettres eine Art von Schlusspunkt mit sich bringen könnte – freuen wir uns auf die nächsten Beunruhigungen durch Hans Magnus Enzensberger.