Bochum. . Über 40 Jahre lang waren für Werner Streletz die Liebe zum Ruhrgebiet und die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit auch Motor, literarisch tätig zu sein. Ein Lesebuch versammelt sein Schaffen.

Wenn Elvis Presley jemals ins Ruhrgebiet gekommen wäre, gäbe es einen, der den „King“ gewiss sehr gern mit Land und Leuten vertraut gemacht hätte: Werner Streletz (64), Bochumer Autor und langjähriger Kulturredakteur der WAZ, ein Kenner des Elvis-Œuvres wie des Reviers. Vielleicht wäre er mit dem Rocker in den Bochumer Westpark gefahren oder durch Bottrop-Ebel, vielleicht hätte er ihm Serras „Bramme“ auf der Halde Schurenbach gezeigt. Vielleicht hätte es aber auch gereicht, statt einer Spritztour mit Elvis als Beifahrer, ihm einfach das „Werner Streletz-Lesebuch“ zu überreichen. Denn da steht eigentlich alles drin.

Übergangsgesellschaft

Wohlgemerkt, nicht über die Sehenswürdigkeiten zwischen Dinslaken und Dortmund-Deusen, sondern über die Menschen im Revier, über ihre Denkart und ihre Befindlichkeiten, über die untergehende Industrielandschaft, über Schuld, Mut und Verzweiflung und auch über das Wesen der Übergangsgesellschaft, die das Ruhrgebiet nach wie vor schwanken lässt zwischen der Erinnerung an seine schwarze Montanvergangenheit und der diffusen Ahnung vom Land an der Ruhr als „Metropole“ – was immer das auch bedeuten mag.

Lesung mit Werner Streletz, anschließend Weinprobe

Zur dritten „Lese- und Kostprobe“ lädt Hof Jünger ein am Freitag, 22. November, ab 19.30 Uhr. Erst liest Schriftsteller Werner Streletz (Foto), danach bittet der Weinexperte Martin Volmer zur Kostprobe.

Streletz, geboren 1949 in Bottrop, arbeitete als WAZ-Redakteur, schrieb Hörspiele, Theaterstücke, Filmdrehbücher, Lyrik und Prosa. 2008 erhielt er den Literaturpreis Ruhr. Am Freitag liest er aus seinem Roman „Rohbau“: Hauptfigur Johny versucht den Spagat zwischen düsterer Baustelle voller Schroffheit und Gewalt – und dem privaten Idyll mit seiner Freundin. Als ihm dies nach einem Unfall in einem Rohbau nicht mehr gelingt, entgleitet ihm alles . . .

„Ein Abend für die Diva“ lautet danach das Motto der Weinprobe mit Martin Volmer. Als Diva unter den Rebsorten gilt der Pinot Noir, empfindlich und dennoch vielseitig. Probiert werden Champagner und klassischer Pinot Noir.

Werner Streletz hat in über 40 Jahren stets aufs Neue solche sozialen und gesellschaftlichen Fragestellungen zu seinen literarischen gemacht, als ob sein Werk mit diesen Leitplanken abgesichert wäre. Das Lesebuch macht eben das deutlich. Es versammelt Texte und Textauszüge von 1967 bis in die Gegenwart. Angefangen von frühen Gedichten wie „Guilty/Schuldig“ über die im rauen Ruhrpott-Ton verfassten Poeme „Blues ausse Neemstraße“ bis zu prosaisch mäandernden Spätwerken wie „Kiosk kaputt“ oder „Rohbau“. Streletz’ Vorbilder, die Beat-Literatur, Beckett, Edgar Allan Poe und die rotzige Poesie eines Charles Bukowski schimmern hier und dort durch. Und natürlich der Rock’n’Roll, man denke an die Kurzgeschichte „Das erste Erwachen eines Elvis-Fans“.

Der „Eisenmann“ und der „King“

Ach ja, Elvis Presley. Wenn er Werner Streletz getroffen hätte, würde er in Gedanken und Sätzen wohl auch sich selbst wiedergefunden haben. Denn der Ritt durch die Niederungen des Zweifels und das Zurückfinden ins Leben, all dies erwischte ja nicht nicht nur Streletz-Figuren wie den „Eisenmann“, sondern bekanntlich auch den „King“.

Lesebuch Werner Streletz, hg. von Walter Gödden, Nylands Kleine Westfälische Bibliothek, Bd. 43., Aisthesis Verlag, 176 S., 8,50 Euro.