Düsseldorf/Essen.. Hildebrand Gurlitt, der Kunsthändler, der für die Nazis Bilder verhökerte, starb als angesehener Mann. Er war bis zu seinem Tod 1956 Direktor des Kunstvereins in Düsseldorf. Dort wurde 1965 sogar eine Straße nach ihm benannt. Er ist der Vater von Cornelius Gurlitt, in dessen Wohnung 1406 als verschollen geltende Kunstwerke gefunden wurden.
Als Hildebrand Gurlitt ausgerechnet am 9. November vor 57 Jahren in Düsseldorf starb, galt er als ehrbarer Mann. Acht Jahre lang war er Direktor des angesehenen Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen gewesen, 1965 benannte man gar eine Straße im Stadtteil Bilk nach ihm.
Aber nun, nach dem spektakulären Fund von 1406 Kunstwerken in der Wohnung seines Sohns Cornelius, steht er in einem gänzlich anderen Licht da: Hildebrand Gurlitt war einer von vier Kunsthändlern, die jene Werke verhökerten, die der NS-Staat verfolgten Juden abpresste oder als „entartet“ in Museen beschlagnahmte. Und er hatte den Auftrag, Kunst für das künftige „Führermuseum“ in Linz zusammenzukaufen oder -tauschen.
Museumsdirektor in Zwickau
Doch auch das ist nur eine von vielen Facetten eines schillernden Mannes. Hildebrand Gurlitt kam 1895 als Spross einer angesehenen Künstler- und Intellektuellen-Familie zur Welt. Schon zu Beginn seiner Karriere wurde dem Kunsthistoriker Gurlitt ausgerechnet seine Leidenschaft für die später von den Nazis verfolgte moderne Kunst, für Expressionismus und abstrakte Malerei, zum Verhängnis. Nachdem er 1925 Direktor des König-Albert-Museums Zwickau geworden war, musste er dort fünf Jahre später wieder gehen – weil die Stadt kaum noch Geld für Kunstankäufe hatte und weil vielen in der Stadt weder Kunst gefiel, die Gurlitt da im Museum präsentierte, noch die Umgestaltung des Museums, die er beim Bauhaus in Auftrag gegeben hatte.
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Anschließend wurde Gurlitt Direktor des Hamburger Kunstvereins – aber nur bis 1933. Zum Verhängnis wurde ihm seine jüdische Großmutter, eine Schwester der Vormärz-Schriftstellerin Fanny Lewald. Gurlitt verlegte sich auf Kunsthandel – und machte eine steile Karriere. Seine guten Verbindungen sorgten dafür, dass die Nazis ihn zu einem von vier Kunsthändlern machten, die „entartete“ und geraubte Kunst gewinnbringend ins Ausland verkaufen sollten.
Besuch bei Max Beckmann
Durch neuere kunsthistorische Forschungen weiß man allerdings, dass es auch in Deutschland weiter einen Markt für die verfemte, „entartete“ Kunst gab. Hildebrand Gurlitt fühlte sich als Chefeinkäufer für Hitlers „Führermuseum“ derart sicher, dass er den expressionistischen, aus Deutschland vertriebenen Maler Max Beckmann 1943 in seinem Amsterdamer Asyl besuchte – um Gemälde von ihm zu kaufen. Offenbar gab es auch im Deutschland der staatlich verordneten Blut-und-Boden-Kunst noch einen Markt für die „entartete“. Mutmaßlich sogar mit Gewinnspannen, die vom Risiko noch in die Höhe getrieben wurden.
Nach dem Krieg rühmte sich Hildebrand Gurlitt des Besuchs bei Max Beckmann in Amsterdam, um sein Entnazifizierungsverfahren voranzutreiben. Mit Erfolg.
Bei alledem trug er eine illustre private Kunstsammlung mit Werken der Klassischen Moderne zusammen. Gurlitt gab an, Großteile der Sammlung seien in seinem Elternhaus in Dresden verbrannt; seine Witwe hat diese Aussage in den 60er-Jahren noch einmal wiederholt. Die rund 100 Werke, die von der Sammlung angeblich nur noch übriggeblieben waren, beschlagnahmten nach dem Zweiten Weltkrieg die Amerikaner, 1950 bekam Gurlitt sie wieder zurück.
Woher die 1406 in München gefundenen Werke stammen, ist weiterhin unklar. Auch deshalb, weil Hildebrands Sohn Cornelius verschwunden ist. Ein Haus im Salzburger Nobelstadtteil Aigen, das ihm gehört, hat er offenbar seit zwei Jahren nicht mehr besucht. Die Augsburger Strafverfolger, die nicht nur wegen Steuerschulden gegen Gurlitt ermitteln, sondern auch hoffen, über den Umweg des Unterschlagungsvorwurfs vielleicht doch noch dafür sorgen zu können, dass die Bilder an ihre ursprünglichen Besitzer und deren Erben zurückgegeben werden können, wissen ebenfalls nicht, wo der 79-Jährige steckt.
Ironie der Geschichte: Zu den vielen deutschen Museen, die darauf hoffen, dass sich das Schicksal von Werken klärt, die von den Nazis aus ihren Beständen beschlagnahmt wurden, gehört auch das Museum in Zwickau.