London.. Es hat Vorteile, 71, reich und verliebt zu sein. Ex-Beatle Paul McCartney singt auf seinem neuen Album ein Lied davon. Im Interview klärt der Sänger falsche Gerüchte über die Beatles auf. Und berichtet, wie gerne er cool wäre - dass er aber nicht cool genug für Miley Cyrus ist.
Die Lobby des Edition Hotels ist gefüllt mit Journalisten, die sogar aus Japan und Brasilien angereist sind. Denn im Keller der Nobelherberge gibt Sir Paul McCartney Interviews im 15-Minuten-Takt. Sein neues Album „New“ klingt viel frischer und moderner als alles, was die Beatles-Legende bislang in diesem Jahrtausend veröffentlicht hat. Und der 71-Jährige lieferte Katja Schwemmers auch eine gute Erklärung, warum.
Sir Paul, auf Ihrer neuen Platte gibt es viele freudvolle Popsongs. Sind Sie im dritten Frühling?
Paul McCartney: Nun, es gibt eine neue Frau in meinem Leben! Ich erlebe eine sehr glückliche Zeit momentan, da schreiben sich solche Lieder fast von alleine!
Ihre Frau Nancy hat Sie inspiriert?
McCartney: Absolut! Als ich die Lieder schrieb, war sie viel in New York City, während ich in London blieb. Da die beiden Orte einen Zeitunterschied von fünf Stunden haben, war ich früher wach als sie. Ich brachte jeden Morgen meine kleine Tochter zur Schule und wieder zu Hause angekommen setzte ich mich hin und schrieb ein Lied. Und wenn ich damit fertig war, wusste ich, ich könnte Nancy jetzt anrufen, weil sie aufgestanden war.
Ich fragte sie also jeden Morgen: „Willst du einen neuen Song hören?“ Ich spielte ihn ihr am Telefon vor. Das war eine unglaubliche Motivation.
Die Single „New“ klingt auch wie ein Liebeslied. Im Refrain heißt es: „We can do what we want, we can live as we choose“. Können Sie wirklich alles tun, was Sie wollen?
McCartney: Sie wären überrascht, was ich privat so alles anstelle! Es soll ja berühmte Menschen geben, die sich Filme nur noch zu Hause ansehen. Ich gehe ins Kino wie jeder andere auch, ich liebe es, in Kinosälen zu sitzen. Ich gehe shoppen, ins Fitnessstudio oder joggen, und die Leute lassen mich in Ruhe. Ich kann wirklich so ziemlich tun und lassen, was ich will. Und künstlerisch sowieso.
Fühlen Sie sich denn so neu, wie es der Albumtitel vermuten lässt?
McCartney: Ja, ich fühle mich wie neu geboren, und es fühlt sich echt gut an!
Trotzdem scheint die Vergangenheit Sie nicht loszulassen. Im Stück „Early Days“ stochern Sie recht nostalgisch in den Erinnerungen an Ihre frühen Musikertage herum.
McCartney: Es stimmt. Ich hatte wieder das schöne Bild vor Augen, wie John (Lennon) und ich eine Straße in Liverpool entlanglaufen, beide in Schwarz, mit Gitarre auf dem Rücken. Gleichzeitig erinnerte ich mich daran, dass es nicht immer leicht war. Manche Leute denken, die Beatles wären ein Selbstläufer gewesen, aber so war es nicht.
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Unsere ersten Shows waren schwierig. Wir mussten die Leute für uns gewinnen und besser werden. Wir haben viel gearbeitet, wenig Schlaf gehabt und sind manchmal aufeinander losgegangen. Es waren durchaus auch traurige, stressige Zeiten damals, denen wir mit einem gewissen Galgenhumor begegnen mussten.
Können Sie den Rückblick trotzdem genießen?
McCartney: Kann ich. Erinnerungen sind Luxus. Es ist wichtig für mich, sie zu haben. Besonders auch für meine Arbeit als Songwriter. Auf gewisse Weise bringt mir das John zurück. Es ist so, als würden John und ich wieder zusammen die Straße entlanglaufen.
Unwahre Beatles-Geschichten und der Respekt der Produzenten
Sie erzählen aber auch von Unwahrheiten, was die Beatles-Geschichte betrifft. Welche sind das?
McCartney: Zu viele, um sie alle aufzuzählen. Kürzlich las ich in einem Buch, ich hätte einen bestimmten Song als Antwort auf ein Lied von John geschrieben. Und ich dachte nur: Was für ein Quatsch, wovon spricht der Autor? So was zerstört die Realität! Davon erzähle ich in „Early Days“.
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Ich erlaube mir die Anmerkung, dass die Leute, die behaupten, John oder ich hätten dieses oder jenes getan, gar nicht dabei waren. Das war mir echt mal ein Bedürfnis. Denn ich lasse mir meine Erinnerungen nicht nehmen, denn ich war dabei!
Erstmals haben Sie mit vier namhaften, jungen Produzenten zusammengearbeitet, darunter Mark Ronson und Giles Martin, der Sohn von Beatles-Produzent Sir George Martin. Wie bringt man denen bei, nicht zu viel Respekt vor McCartney zu haben?
McCartney: Ich lasse einfach nicht raushängen, dass ich der Typ bin, der all das Zeug geschrieben hat, haha!
Aber waren die Herren nicht trotzdem etwas eingeschüchtert?
McCartney: Teilweise. Aber ich sagte jedem von ihnen gleich zu Anfang: „Wir sind gleich. Du sagst mir deine Meinung, ich sag dir meine.“ Ich muss die Leute also ermutigen, völlig befreit zu sein und zu handeln. Giles Martin kenne ich allerdings sowieso schon, seitdem er ein Kind war. Er hat viel von seinem großartigen Vater! Und Mark Ronson, der ja selbst so was wie ein Popstar ist, hat 2011 auf der Hochzeit von Nancy und mir Platten aufgelegt. Daher kannte ich ihn schon und wusste, dass er einen guten Musikgeschmack hat.
In einem Interview betonten Sie, wie cool diese Kollaborateure sind. Wie ist es denn um die Coolness von Paul McCartney bestellt?
McCartney: Ich war nie cool. Aber ich habe mir immer gewünscht, cool zu sein! Aber ich kann da nicht aus meiner Haut.
Woran machen Sie das fest?
McCartney: Das habe ich neulich wieder gemerkt, als ich bei einem Radio-Festival in Las Vegas spielte. Da waren nur coole Künstler, die alle von einer Entourage von Leuten umgeben waren und sehr ernst guckten. Miley Cyrus kam mir auf dem Flur entgegen und ich rief ihr nach und winkte ihr zu.
Aber sie schaute mich nicht mal an! Das war wieder so ein Moment, wo ich dachte: Warum mache ich so was? Ich muss wie ein Fan rübergekommen sein! Ich sollte viel cooler sein! Immerhin: Nachdem Mileys Sicherheitspersonal mich erkannt hatte, kam sie zurück, um mir hallo zu sagen.