Bochum. Die Premiere von von Lutz Hübners Singspiel “Bochum“ ist geglückt. Die kreativen Interpretationen der Songs von Kultmusiker Herbert Grönemeyer begeisterten das Premierenpublikum am Sonntag. Ob “Mambo“, “Männer“ oder “Alkohol“ - die Gäste sangen, wippten und klatschen kräftig mit.
Die Wirtin singt "Halt mich", die Kneipenband rockt "Mambo" und "Männer", das Publikum gibt das entscheidende Stichwort bei "Currywurst". Nur einer fehlt: Herbert Grönemeyer, dessen Lieder Dreh- und Angelpunkt in Lutz Hübners Singspiel "Bochum" sind, das am Sonntag uraufgeführt wurde. Doch das ist fast vergessen, wenn das Schauspielhaus Bochum den wohl bekanntesten Kopf der Stadt und die Heimat mit einem musikalischen Bühnenstück in der Regie von Barbara Hauck feiert. Die Band um den musikalischen Leiter Torsten Kindermann tut mit kreativen Interpretationen der Grönemeyer-Songs ihr Übriges für den tosenden Applaus des Publikums.
Herbert, wie sie ihn hier oft ganz vertraulich nennen, ist in Bochum aufgewachsen, machte auf dieser Bühne an der Königsallee erste musikalische und schauspielerische Erfahrungen. Mehr als dreißig Jahre später ist er einer der erfolgreichsten Musiker Deutschlands.
Theaterschwank mit guter Live-Musik
Vor allem aber hat er der Stadt eine unvergessene Hymne geschenkt: Was auf "Tief im Westen" folgt hat in der Ruhrgebietsstadt längst Volksliedcharakter. Dramaturg und Autor Hübner hat das Potenzial dieses trotzigen Bochum-Patriotismus' erkannt und aus den Zutaten Eckkneipen-Romantik, selbstironischem Ruhrpotthumor und Grönemeyer-Hits einen unterhaltsamen Theaterschwank mit viel guter Live-Musik gemacht.
In "Bochum" nehmen vier Freunde Abschied von ihrer Stammkneipe. Weil sie abgerissen werden soll, stoßen die Endvierziger mit Wirtin Lotte (Anke Zillich) an. Schnaps für Schnaps treten Sandra, Ralf, Roger und Peter (Veronika Nickl, Michael Schütz, Günter Alt, Joachim G. Maaß) eine mal sentimentale, mal überschwänglich fröhliche Reise in die Vergangenheit an.
"Musik ist immer Erinnerungsspeicher"
"Musik ist immer Erinnerungsspeicher", sagt Lutz Hübner im Interview für das Programmheft zum Abend. Lieder könnten vergessene Türen aufstoßen und die dahinter liegenden Erinnerungen und Gefühle wieder abrufbar machen. Hinter den Türen, die die Grönemeyer-Songs aus drei Jahrzehnten aufstoßen, finden sie geplatzte Träume wie unbeschwerte Lebensfreude. Die Protagonisten suhlen sich in Selbstmitleid, treffen auf die gute Kneipenseele (Sarah Sophia Meyer) und erfreuen sich an den Wendungen, die das Leben nimmt.
Die großen Umbrüche, die Bochum als Stadt schultern musste und muss - Zechensterben und Stahlkrise, die Schließung des Nokia-Werkes, das baldige Ende der Opel-Produktion - bleiben Fußnoten. "Bochum" setzt nicht auf die politische Pose, sondern fühlt sich wohl im Privaten, das der inzwischen in London lebende Grönemeyer so oft mit poetischen Worten besungen hat. Auch die Premierengäste mögen das Wohlfühl-Theater. Sie klatschen, wippen, fiebern mit.
Publikum begeistert
Als die ersten Töne des titelgebenden Hits erklingen, singt das Publikum wie selbstverständlich die ersten Zeilen des Steigerlieds, das selten bei einer Live-Version von "Bochum" fehlt. Auch dann, wenn plötzlich ein rockiger Hit wie "Alkohol" als mehrstimmiger Chorgesang oder "Morgenrot" als Schunkel-Shanty daherkommen, dankt das Publikum mit kräftigem Szenenapplaus.
Seine Liebeserklärungen an die Stadt, das Leben, den Fußball und die Currywurst sind dem Publikum alte Bekannte. Sie wirken an diesem Abend wie die geliebte und berühmt-berüchtigte Currywurst-Sauce: Wie unveränderlich guter Balsam auf die Seelen der Bochumer. (dpa)