Essen. . „Ich habe mich schon früher in den 60ern verknallt in ihn“: Ein Gespräch mit dem österreichischen Schauspieler Klaus Maria Brandauer, der in diesem Sommer 70 Jahre alt geworden ist, über den Psychoanalytiker und Orgasmus-Forscher Wilhelm Reich, die '68er und den Mut, an seine Ideale zu glauben.

In dieser Woche kommt ein Spielfilm über den Psychoanalytiker, Orgasmus-Forscher und ‘68er-Vordenker Wilhelm Reich in die Kinos, gespielt von Klaus Maria Brandauer (70). Unser Mitarbeiter Gordon K. Strahl sprach mit dem österreichischen Schauspieler über Reich und die Folgen.

Herr Brandauer, im Film stellen Sie Wilhelm Reich als jemanden dar, der unbeirrbar für Ideale kämpft – auch auf die Gefahr hin, sich von Freunden und Familie zu isolieren. Ist das ein vorbildliches Verhalten?

Klaus Maria Brandauer: Sie werden kein Weltmeister im Schach, wenn sie nicht unbeirrbar daran weiterarbeiten. Wir schauen in dem Film einem Menschen zu, der nicht an sich scheitert, sondern der so viel Knüppel zwischen die Beine geworfen bekommt, dass er kaum Luft zum Atmen hat. Auch heute noch hat Reich viele Feinde, die über ihn schreiben, ohne etwas zu sagen zu haben. Ich finde, das ehrt ihn. Ich habe mich schon früher in den 60ern verknallt in ihn. Für die Flower-Power-Generation und die ‘68er war er ja eine Art Sinngeber. Das verstehe ich gut: Die Zuwendung zur Jugend, die Idee, dass es ein wenig anders zugehen muss in der Erziehung, das war alles sein großes Verdienst.

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Der Film hat auch politische Dimensionen, die auch mit der heutigen Situationen zu tun haben . . .

Brandauer: Natürlich! Reich sagte zu Einstein in etwa: „Du, ich glaube, diese Atomgeschichte fällt uns irgendwann auf dem Kopf.“ Und so ist es dann ja auch gekommen, immer wieder. Und heute? Immer mehr Menschen, die nach dem Unglück in Fukushima das Ende der Atomkraft forderten, knicken wieder ein, weil es anscheinend wieder den Konsens gibt, dass wir uns den Ausstieg und den Einstieg in die erneuerbaren Energien nicht leisten können. Diese offensichtliche Verzögerungstaktik sollten wir nicht mitmachen.

Querdenker haben es auch in einer Demokratie nicht leicht, zeigt der Film. Unmittelbar muss man da auch an Edward Snowden denken. Waren Sie überrascht, wie sehr die Realität den Film einholt`?

Klaus-Maria Brandauer beim Interview im Essener Kino Eulenspiegel zu seinen neuen Film
Klaus-Maria Brandauer beim Interview im Essener Kino Eulenspiegel zu seinen neuen Film "Der Fall Wilhelm Reich". (Foto: Sebastian Konopka) © WAZ FotoPool

Brandauer: Sie können als Beispiel auch So­krates und viele, viele andere nennen. Es gibt immer wieder Menschen, die Vorbilder und Vorreiter sind, wobei es nicht darauf ankommt, ob man die Meinung von dem, der querdenkt, teilt. Ich finde es schade, dass diese Menschen als Querdenker diffamiert werden. Das sind doch letztlich die, die uns weiterbringen!

Gab es auch Situationen, in denen Sie sich als Querdenker gefühlt haben, der gegen Widerstände ankämpfen musste?

Brandauer: Ich bin ganz schön eingereiht in den Kulturbetrieb, überhaupt in die Gesellschaft und nehme mir doch immer wieder heraus, nicht nur in meiner Arbeit, immer wieder auszubüxen. Ich bleibe dabei, wenn es mir jemand verbieten sollte, dann kriegt er eins auf die Fresse. Ich meine das selbstverständlich ganz vornehm.