Berlin. Da schreibt einer tolle Bücher, sammelt damit Preise ein – und lebt mit der Gewissheit, dass in seinem Kopf ein inoperabler Tumor wuchert. Wolfgang Herrndorf hat seine Leser im Internet an seinem Leben und Sterben teilhaben lassen. Mit 48 Jahren hat sein Leben jetzt geendet.

Der Schriftsteller Wolfgang Herrndorf ist tot. Spielt es da noch eine Rolle, wie er aus dem Leben schied? Ob ihn der bösartige, unheilbare Hirntumor umbrachte, der bei ihm im Jahr 2010 diagnostiziert wurde? Oder ob er sich am Montag nach drei Operationen, zwei Bestrahlungen, drei Chemotherapien und aussichtsloser Diagnose am Hohenzollernkanal in Moabit erschossen hat, wie seine Vertraute Kathrin Passig mitteilte?

Herrndorf ist tot, wenig überraschend. Und doch macht es betroffen, weil der 48-Jährige uns an seinem Leiden und Sterben teilhaben ließ. So hieß es in einem der frühen Einträge seines Blogs „Arbeit und Struktur“ (www.wolfgang-herrndorf.de), das am Dienstag überlastet war: „Gib mir ein Jahr, Herrgott, an den ich nicht glaube, und ich werde fertig mit allem. (geweint)“. Er hatte mehr als dieses eine Jahr – und doch nicht genug.

Jugendliche Außenseiter

Herrndorf, 1965 in Hamburg geboren, arbeitete als Illustrator, etwa fürs Satiremagazin „Titanic“. Mit seinem Debüt „In Plüschgewittern“ (2002) und den Erzählungen „Diesseits des Van-Allen-Gürtels“ (Bachmannpreis 2004) hatte er es im deutschen Literaturbetrieb zu Ansehen gebracht.

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Sein 2010 erschienener Roman „Tschick“, der vom Roadtrip zweier jugendlicher Außenseiter mit einem Lada durch Ostdeutschland erzählt, von Freiheitsdrang und Vertrauen, wurde zum Bestseller und entstand unter dem Einfluss des Tumors, der Herrndorf kurzzeitig zu Höchstleistungen beflügelte.

„Wie lange habe ich noch?“

Er gab sich unerschrocken gegenüber dem Tod, doch machten ihm die Ausfälle seines Gedächtnisses und die Unfähigkeit zu schreiben zu schaffen. Am 15. Juli notierte er noch: „Befund schlecht wie erwartet. Avastin ohne Wirkung, Glioblastom (bösartiger Hirntumor) beiderseits progressiv. Ende der Chemo. OP sinnlos. Ich weiß, was das bedeutet. Wie lange habe ich noch, zwei oder drei Wochen? Noch weniger, ein paar Tage?“ Der Arzt gab ihm Monate. Zum Schluss fand Herrndorf nur noch wenige Worte. Jetzt ist er für immer verstummt.