Bayreuth. Manchem Politiker ist die jährliche Bayreuth-Visite ein Pflichttermin im Kalender. Nicht so dem Bundesaußenminister. Guido Westerwelle liebt die Opern Wagners, den Aufenthalt im Festspielhaus schätzt er nicht zuletzt der „Entschleunigung“ wegen. Ein Interview.
Guido Westerwelle ist auf Bayreuths grünem Hügel eine feste Premieren-Größe. Mit Protokoll und Amtspflicht hat das bei ihm wenig zu tun. Denn Wagners Musik ist Westerwelle eine Herzensangelegenheit. Lars von der Gönna sprach mit dem Bundesaußenminister über Entschleunigung in Bayreuth, Wagner-Hasser und den Opernschlaf des Franz Josef Strauß.
Sie gelten unter Deutschlands prominenten Politikern als besonders treuer Bayreuth-Besucher. Was bedeuten diese Festspiele Ihnen ganz persönlich?
Guido Westerwelle: Für mich sind die Wagner-Festspiele ein kultureller Höhepunkt des Jahres. Die Atmosphäre und die künstlerische Qualität sind einzigartig.
Erinnern Sie sich an ein Wagner-Schlüssel-Erlebnis – an einen Moment, von dem Sie sagen können: „Da wusste ich: Wagner ist meine Musik!“?
Westerwelle: Das war kein einzelner Moment. Bei uns in der Schule gab es ein Opernabo. Da ist von Mal zu Mal meine Oper-Leidenschaft gewachsen, auch an Wagner-Opern.
Sie leben ein schnelles Leben. Muss man die langen Stunden eines „Tristan“, einer „Götterdämmerung“ da nicht als totale Entschleunigung erleben?
Westerwelle: Das ist eine Entschleunigung, gleichzeitig aber eine Zeit ganz besonders intensiver Konzentration. Man ist mitgerissen und vertieft in eine ganz eigene Welt. Ich genieße das sehr.
Oper „Jedem, die Musik, die ihm gefällt, mit Respekt voreinander.“
Als Freund von Wagners Musik ist man ja nicht unbedingt unter Freunden. Wie gehen Sie mit Menschen um, die das als reinen Pomp abtun? Es gibt ja den berüchtigten Satz von Woody Allen: „Immer wenn ich diese Musik höre, habe ich das Gefühl, gleich in Polen einmarschieren zu müssen"...
Westerwelle: Da bin ich ganz Liberaler: Jedem die Musik, die ihm gefällt, am besten mit Respekt voreinander trotz verschiedener Vorlieben. Für mich ist eine gute Aufführung der Meistersinger oder des Fliegenden Holländers einfach ein unbeschreiblicher Genuss.
Diesen Sommer sehen wir den „Ring“, auch eine Geschichte über einen mächtigen Gott, der am Ende machtlos den Verlauf der Dinge erlebt. Und ein starker Riese singt: „Was du bist, bist du nur durch Verträge.“ Empfinden Sie diese Werke als politisch? Locken sie zur politischen Deutung auf der Bühne?
Westerwelle: Politik und Kunst sind aus gutem Grund verschiedene Bereiche des menschlichen Strebens. Das möchte ich als Politiker nicht vermengen. Es zu vermengen, ist das Privileg der Künstler.
Gibt es eine Oper, eine Figur von Richard Wagner, die Ihnen ganz besonders viel bedeutet ?
Westerwelle: Das wechselt ja. Eine tolle Aufführung wie die des Fliegenden Holländer in Jan Philipp Glogers Inszenierung aus dem letzten Jahr behalte ich lange in sehr lebendiger Erinnerung.
Unter Musik-Freunden wird man lange suchen müssen, bis man einen Schubert-Hasser findet. Bei Wagner gibt es viele. Warum polarisiert Richard Wagner so stark?
Westerwelle: Wagner-Musik berührt sehr stark und erzeugt Emotionen. Schon die Erstaufführungen wurden sehr kontrovers diskutiert. Und Wagner lässt auch heute niemanden gleichgültig.
Festspiele„Ich teile nicht den Geschmack des ersten Bundespräsidenten“
Wissen Sie, von wem dieser Satz ist: „Ich bin auf das Grundgesetz vereidigt, und im Grundgesetz steht nichts von Richard Wagner“?
Westerwelle: Der Sache nach hatte unser erster Bundespräsident recht, auch wenn ich seinen Geschmack nicht teile…
...Theodor Heuss tat sich schwer mit Wagner. Er schlug Einladungen nach Bayreuth aus. Für Sie scheint es nie Pflichttermin zu sein. Blieben Sie manchmal gerne länger auf dem Grünen Hügel als es Ihre Verpflichtungen erlauben?
Westerwelle: Es ist kein Pflichttermin, sondern ein Musikerlebnis, auf das ich mich jedes Jahr freue. Ich hätte gern auch noch mehr Zeit für Wagner-Musik, aber welcher Wagner-Liebhaber hätte das nicht?
Franz Josef Strauß soll bei seinen Bayreuther Besuchen, die für den Landesvater Pflicht waren, regelmäßig eingenickt sein...
Westerwelle: (lacht) Hierzu sage ich nichts aus Respekt vor dem früheren Landesvater und dem Komponisten.