Eisenach. Das Eisenacher Lutherhaus soll sich zum 500. Reformationsjubiläum als ein modernes Museum präsentieren. Doch nun sind dem Haus kostbare Flugschriften des Reformators Martin Luther aus dem 16. Jahrhundert gestohlen worden. Der Schaden beläuft sich nach Polizeiangaben auf mehr als 60 000 Euro.

Zwei Tage nach dem dreisten Diebstahl von drei originalen Luther-Schriften aus einer Vitrine im Lutherhaus Eisenach tappen die Ermittler noch im Dunkeln. Es gebe noch keinerlei Erkenntnisse zu den möglichen Tätern, sagte eine Polizeisprecherin am Sonntag in Gotha. Der materielle Wert der Beute werde auf etwa 60 000 Euro geschätzt. Es handelt sich um die Flugschriften "An den Christlichen Adel deutscher Nation" aus dem Jahr 1520, "An die Radherrn aller stedte" von 1524 sowie die "Lutherpredigt, das man Kinder zur Schulen halten soll" von 1530. Der wissenschaftliche Leiter des Lutherhauses, Jochen Birkenmeier", sprach "von einem ganz herben Verlust, der nicht ohne weiteres zu ersetzen ist".

Es handele sich zwar um Drucke mit Texten Luthers. Dennoch seien die Flugschriften auch Unikate, da sie handschriftliche Eintragungen von Zeitgenossen enthielten. Die 1956 gegründete Gedenkstätte besitze nur relativ wenige Flugschriften Luthers im Vergleich zu Einrichtungen in Wittenberg oder Gotha, wo seit dem 19. Jahrhundert Flugschriften gesammelt werden.

Die Bildkombo zeigt die gestohlenen Flugschriften des Reformators Martin Luther aus dem 16.Jahrhundert.
Die Bildkombo zeigt die gestohlenen Flugschriften des Reformators Martin Luther aus dem 16.Jahrhundert. © Landespolizeiinspektion Gotha/dpa

Die Drucke sind nach Angaben der Polizei am Freitag zwischen 10.00 und 14.00 Uhr gestohlen worden. Zu dieser Zeit haben sich laut Polizei auch zwei Jugendgruppen, vermutlich aus Schweinfurt kommend, im Lutherhaus aufgehalten. Die Polizei bat deren Betreuer, sich bei ihr zu melden. Sie bat zudem die Bevölkerung um Hinweise, wem etwas Ungewöhnliches zur Tatzeit aufgefallen ist.

Der Reformator Martin Luther (1483-1546) war einige Jahre Schüler der Pfarrschule zu St. Georgen in Eisenach und lebte in dem Fachwerkgebäude, das heute Museum ist. Später übersetzte er als Junker Jörg auf der nahen Wartburg die Bibel ins Deutsche.

Das repräsentative Fachwerkhaus nahe dem Markt hatte am Wochenende wieder ganz normal für Besucher geöffnet. An der leeren Vitrine deutete für Nichteingeweihte nichts auf den Diebstahl hin. Die Kostbarkeiten lagen nach Angaben Birkenmeiers in einer älteren Vitrine aus dem Jahr 1996. Die Täter drückten an deren Rahmenkonstruktion eine Scheibe zur Seite.

Birkenmeier schloss nicht aus, dass sich vorher jemand gezielt über Schwachstellen der Vitrine informiert und im Auftrag gehandelt hat. Vielleicht sei der Diebstahl aber auch nur eine Mutprobe gewesen, und alles werde sich schnell aufklären. Ein Verkauf der Flugschriften sei jedenfalls sehr schwer. "Kein seriöser Händler wird sich darauf einlassen", sagte der Wissenschaftler. Unterhalb der Vitrine befindet sich eine Arbeitsplatte, an der sich Museumsbesucher mit dem Katechismus Martin Luthers beschäftigen können.

Das historische Lutherhaus in Eisenach (Thüringen).
Das historische Lutherhaus in Eisenach (Thüringen). © Hendrik Schmidt/dpa

"Der Diebstahl ist auch besonders schmerzlich, weil das Lutherhaus wegen Modernisierung und Sanierung nur noch wenige Monate geöffnet ist", sagte Birkenmeier. Im November würden die Sammlungen in ein Übergangsquartier umziehen, voraussichtlich in die Eisenacher Predigerkirche. Die Superintendentin des Kirchenkreises Eisenach-Gerstungen, Martina Berlich, sagte: "Ich bedauere sehr, dass dem Lutherhaus inmitten der Vorbereitungen auf den Umbau und die neue Dauerausstellung dieser große Schaden zugefügt wurde."

Bereits am 18. August soll der Grundstein für einen dringend benötigten Anbau mit Foyer, Vortragsraum und Fahrstuhl gelegt werden. Der Neubau soll das mittelalterliche Fachwerkgebäude von künftigen Besucherströmen entlasten. Die Wiedereröffnung des Lutherhauses mit dann neuer Ausstattung und Ausstellung ist für Mitte 2015 geplant. Das Museum soll dann fit sein für das 500. Reformationsjubiläum im Jahr 2017. (dpa)