Essen. . Jay-Z veröffentlicht das solide Album „Magna Charta, Holy Grail“ mit einem Marketing-Trick: Besitzer des neuesten Samsung-Smartphones erhielten das Album kostenlos – und vor allen anderen. Was Kritiker dreisten Ausverkauf nennen, nennt der Künstler selbst den “neuen Wilden Westen“.

Schon der Titel klingt, als wolle sich Jay-Z auf die oberste Spitze des Empire State Buildings schwingen und hinausschreien, wer hier der König der Welt sei: „Magna Charta, Holy Grail“, veröffentlicht am amerikanischen Unabhängigkeitstag. Größer geht’s nimmer.

Herausgebracht wurde das zwölfte Album des unverschämt erfolgreichen US-Rappers an diesem Tag für jene Million Auserwählte, die das neueste Smartphone von Samsung in den Händen hielten und sich die App aufs Handy zogen – alle anderen durften 72 Stunden länger warten. Dafür mussten die Menschen mit dem teuren Mobiltelefon auch keinen Cent zahlen. Das übernahmen schon die Koreaner, die dem Gatten von Beyoncé Knowles für jeden App-Download fünf Dollar überwiesen. Keine schlechte Möglichkeit für einen Musiker, eine Garantiesumme von fünf Millionen Dollar einzusacken, genug für ein paar Goldketten und Daimler-Sondermodelle.

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Ist das digitales Marketing oder dreister Ausverkauf? Das Netz sei „der neue Wilde Westen“, sagte Jay-Z über diese Form des Musikverkaufs.

Musikalische Zitate vom selbst ernannten Picasso

Der Konzern Samsung versucht so, Land im Wettbewerb gegen Apple zu gewinnen, bei deren Ableger iTunes etwa Künstler wie David Bowie bereits vor Veröffentlichung exklusiv ihre Alben zu Gehör brachten.

Wer aber wie Jay-Z so viel Spektakel um die Vermarktung inszeniert, muss befürchten, dass manche den Vertriebsweg für das einzig Innovative halten. Die Sorge, so viel sei verraten, ist unbegründet. Jay-Zs Reime kommen so trocken, wie man es gewohnt ist. Wenn man mal vom Beginn absieht. Denn im Song „Holy Grail“ jammert Justin Timberlake an der Seite von Jay-Z. Der Rapper zitiert kräftig die Popgeschichte: „Smells Like Teen Spirit“ kommt zum Einsatz – genau wie in „Heaven“ Zeilen von R.E.M.s „Losing My Religion“.

Als ob wir es noch nicht wüssten, erklärt sich Jay-Z zum neuen Jean Michel Jarre, zum neuen Picasso und so weiter. Dabei liegt die Stärke ausgerechnet in einer Zusammenarbeit mit Frank Ocean, der sinnigerweise den Song „Oceans“ sprechsingt. Eine Kollaboration mit Gattin Beyoncé („Part II“) wirkt da wie ein deplatzierter Schmuse-Ausreißer. Und ob man dem protzigen Multimillionär heute noch glauben kann, dass er, wie er singt, ein Outlaw mit einer Outlaw-Braut sei, das... ja, das müssen wir noch mal googlen, in unserem neuen Smartphone.

Jay-Z: Magna Charta, Holy Grail (Def Jam/Universal)