Bochum. . “'Die Hose“, “Der Snob“, “2013“ - Anselm Weber zeigt am Schauspielhaus Bochum Sternheims Trilogie um die Familie Maske im Schnelldurchlauf. Als roter Faden des Abends wurde “Tatort“-TV-Ermittler Dietmar Bär verpflichtet. Er gibt der in der Figur des kleinen Beamten Theodor Maske den jovialen Kumpel.
Bisher hat es wohl noch keinen Versuch gegeben, Shakespeares Königsdramen über Heinrich IV. bis Heinrich VI. auf Digest-Format zu entschlacken, um sich den letzten Teil von einem Dramaturgen völlig neu schreiben zu lassen, weil der Stoff ja irgendwie der Gegenwart angenähert werden muss. Aber auch wegen einer kompakteren Spielbarkeit, der Shakespeares Stil nur im Wege stehen würde. Für einen Carl Sternheim gilt solche Unantastbarkeit nicht, dessen Dramen „Aus dem bürgerlichen Heldenleben“ auf unseren Bühnen derzeit mal verschränkt, mal mit schweren Textverlusten aneinander gekoppelt werden.
Anselm Weber hat am Schauspielhaus Bochum nun gerade die Trilogie um die Familie Maske der oben beschriebenen Behandlung unterzogen.Wobei „Die Hose“ und „Der Snob“ auf Stundenform schrumpfen, während „1913“ nun „2013“ betitelt ist, von Reto Finger stammt und Sternheim nur noch als Ideengeber führt. Das Ergebnis ist ein sehr disparater Abend, der vom bunten Volksstück über das graue Karrieredrama bis hin zur angepappten, kalten Unternehmer-Logik unserer Zeit reicht. An zeitliche Stimmigkeit sollte man dabei nicht zu hohe Ansprüche stellen: Um Christian Maske in die Gegenwart zerren zu können, macht man aus ihm einen 92-jährigen Greis, der jedoch in etwa 1876 zur Welt gekommen sein dürfte.
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Dietmar Bär als kleiner Beamter
Als roten Faden des Abends hat man Dietmar Bär verpflichtet, der als Theodor Maske durch alle drei Teile des Abends wandern darf. Selbst im letzten schlurft er noch barfuß als Gespenst durch die Gänge der Konzern-Zentrale, als gebe es für ihn eine Anwesenheitspflicht. Weber inszeniert Sternheim dabei ohne großen Impetus oder eine spürbare eigene Haltung dem Stoff und seinen Charakteren gegenüber.
Wenn in der „Hose“ der kleine Beamte Theobald Maske den Fauxpas seiner Frau verflucht, auf offener Straße ihre Unterhose zu verlieren, dann ist das hier kein unangenehmer Katzbuckler, kein Sinnbild für Kriechertum und Pingeligkeit. Stattdessen macht Bär aus ihm genau das, was er am besten kann – einen jovialen Kumpel, der augenzwinkernd mit dem Publikum sympathisiert. Mit dem Teppichklopfer schlägt er höchstens auf Tische, nie würde er damit real auf seine FrauLuise (Xenia Snagowski) losgehen. Die nimmt hier vor knallig bunten Teppichen den grauen Mittelteil schon mal vorweg. Wie sie im Kittel, mit glattgebügeltem Haar und arg verhärmt wirkend gleich zwei Männer hat erotisch entflammen können, bleibt eine Sache des Glaubens.
Die Tatort-Kommissare
Im zweiten Teil hat das Grau sich endgültig durchgesetzt, der komplette Bühnenraum (Raimund Bauer) bis hin zum Anzug von Theobalds Sohn Christian (Felix Rech) soll in farbferner Agonie den erfolgreichen, kühlen Unternehmer unterstreichen. So dick uns das hier unter die Nase gehalten wird, so simpel und schnell macht uns Christian in einem naiven Monolog mit der Abwesenheit von Moral in seinem Denken vertraut.
Hier zeigt sich am deutlichsten, wie plakativ und eindimensional dieser Parforceritt durch den Sternheimschen Kosmos doch ist, für Zwischentöne bleibt da keine Zeit. Die braucht man schließlich noch für Reto Fingers „2013“, der das vom ursprünglichen Autor intendierte Vater-Tochter-Dramazu einem Grundkurs in Kapitalgewinnung ausweitet und als eine Art Königsmord enden lässt. Womit wir wieder bei Shakespeare wären.
Viel Applaus für einen bunten Abend, durchaus unterhaltsam, nie aber wirklich besonders.
- Die nächsten Termine: 15., 23. Juni. Karten: 0234 / 3333 5555