Bochum. . „Inwards and Onwards“: Anton Corbijn, der Star unter den Fotografen der Stars, stellt seine jüngsten Aufnahmen im Kunstmuseum Bochum aus. Darunter sind immer mehr Maler und andere bildende Künstler, aber auch Musiker wie Bruce Springsteen, Tom Waits und Patti Smith.
„Viele Jungs träumen von fünf Minuten mit Kate Moss, ich hatte zwei Nächte mit ihr“: Man muss sich den hart arbeitenden Lichtbildner Anton Corbijn als glücklichen Menschen vorstellen. Der Starfotograf der Stars guckt zwar wie im Zahnarztstuhl, wenn er Auskunft geben soll über sich und seine Profession. Aber auch hier helfen Scherze über die Pein hinweg.
Der Holländer hat wie kaum ein zweiter die Pop-Kultur seit den 80er-Jahren geprägt. Corbijn setzte Musiker in Szene, als die Tonträger noch LPs hießen, die in unpraktisch großen, aber künstlerisch lohnenden Pappquadraten verpackt waren und Musikzeitschriften noch nennenswerte Auflagen hatten. Rockbands wie Depeche Mode, U2, R.E.M. und Joy Divison verdanken Corbijn einen Gutteil ihres Images.
Was er schuf in seinem dramatischen Schwarzweiß, waren fotografische Legenden von Helden, wie sie Ende des 20. Jahrhundert noch glaubwürdig schienen: verschattet vom drohenden Untergang, von der Melancholie der Vergeblichkeit, mit der sich diese Rebellen ihrer Zeit schmückten. Das grobe Korn der Bilder stand für das Gemachte, aber auch für die vielen Schrammen, die Zeit und Gegenwart an ihren Helden hinterließen. Selbst ein gutbürgerlicher Sänger wie Herbert Grönemeyer erhielt mit solchen Bildern noch den Ritterschlag zum Künstler.
Nur 20 Minuten für Ai Weiwei
Bis heute ist Corbijn bei seiner Hasselblad-Kamera geblieben, „auch wenn man sich beim Filmekaufen allmählich wie ein Idiot vorkommt“. Digitales Fotografieren aber kommt für ihn nicht in Frage, „da fehlt die Spannung: Ich weiß ja bis zum Entwickeln im Labor nicht, ob die Bilder was geworden sind.“ Das Risiko, die Spannung reicht bis in seine stets quadratischen Fotos. „Dabei arbeite ich schnell.“ Für das betont unhübsche Halbnackt-Bild von Ai Weiwei, das im letzten Jahr in Peking entstand, hatte er nur 20 Minuten.
Und wie kam es dann zu dem Bild von Mick Jagger als Society-Lady der frühen 40er-Jahre? „Was sollte ich machen, er hat mir so die Tür aufgemacht“, schmunzelt Corbijn. Zu sehen sind beide Bilder nun mit Dutzenden weiterer Fotos, im Kunstmuseum Bochum
. Sie zeigen oft Künstler, verräterische Bilder vom Pop-Clown Jeff Koons als Eulenspiegel etwa und ein grandioses Porträt vom teuersten lebenden Maler Gerhard Richter – wir blicken auf einen gestriegelten Kurzhaar-Hinterkopf und die abgeschabte Bürostuhl-Lehne aus Holz darunter, unscharf im Hintergrund verrät ein Bild den Beruf dieses Mannes, dessen Eitelkeit darin besteht, sich nicht wichtig zu finden.
Zwei Nächte mit Kate Moss - und ein wunderschönes Foto
Es gibt freilich auch ein herzblutwarmes Bild vom ewigjungen Bruce Springsteen, Schulter an Schulter mit Pferd, es gibt einen Nelson Mandela mit fröhlichstrahlenden Zahnreihen und einen Tom Waits mit den Canyons eines wilden Lebens im Gesicht.
Ob schon mal einer Nein sagt, wenn Corbijn nach der Erlaubnis zum Foto fragt? „Ich würd’ ja selbst Nein sagen“, flachst er, um dann einzuräumen: „Manchmal dauert es drei Jahre, bis ein Ja kommt.“
Ja, und bei den zwei Nächten mit Kate Moss ist dann eins der schönsten Fotos gelungen, die es von dieser durch und durch fotografierten Frau gibt: Mrs. Moss steht da mit zerwühltem Haar, im schlichtesten aller weißen Kleider. Eine Schlafmaske verwehrt den Blick in ihre Augen. Es ist allein ihre Haltung, die sie so stark und verletzlich zugleich sein lässt, wie Menschen nur sein könne, wenn sie Mensch sind. Wer weiß, ob Kate Moss je einer näher gekommen ist als dieser Schlaks mit dem linkischen Lächeln namens Anton Corbijn.