Amsterdam. . Ein achtjähriges Forschungsprojekt am Amsterdamer Van-Gogh-Museum, das nach sieben Monaten Renovierung wiedereröffnet wurde, zeigt: Der Maler nutzte Hilfsmittel und war kein Naturtalent. Und: die rote Farbe, die er manchmal nutzt, ist heute verblasst. Manche Bilder sahen anfangs anders aus.
Vincent van Gogh ist die Wundertüte der Kunstwelt. Die Sache mit dem Ohr ist zwar einigermaßen geklärt, weil er kaum ein paar Stunden überlebt hätte, wenn er sich von der ganzen Ohrmuschel getrennt hätte – und weil der einzige, der sich schriftlich dazu ausließ, der notorische Aufschneider Paul Gauguin war, 13 Jahre nachdem sich van Gogh im Wahn wohl einen kleinen Teil des Ohrs abgeschnitten hatte.
Dafür halten es Steven Naifeh und Gregory White Smith in der jüngsten, ziegelsteindicken Biografie „Van Gogh: Sein Leben“ für unwahrscheinlich, dass der Schuss vom 27. Juli 1890, an dessen Folgen van Gogh zwei Tage später starb, von ihm selbst abgegeben wurde. Ein Unfall? Mord? Das bleibt Spekulation.
Fest steht aber, dass van Gogh – anders als es der Mythos vom impulsiven Genie glauben machen will – ein penibel planender, ständig dazulernender, mit der neusten malerischen Technik eng vertrauter Künstler war, der zu Lebzeiten wohl doch mehr als nur ein einziges Bild verkauft hat, wie es die Legende wissen will.
Acht Jahre haben Restauratoren und Kunsthistoriker des Van-Gogh-Museums in Amsterdam „Van Goghs Ateliermethoden“ erforscht. Mit Röntgenbildern, Querschnitten durch die Leinwand, unterm Mikroskop. So genau, dass sie die Gräser und Sandkörner unter den Farbschichten jener Gemälde entdeckten, die van Gogh im Freien gemalt hat. Seit einer Weile schon gab es zu seinen Lebzeiten Farbe in der Tube, was den Künstlern das bis dahin so aufwändige Anrühren der Farben ersparte.
Mit 27 entschloss er sich, Künstler zu werden
Erst mit 27 Jahren hatte sich der gescheiterte Hilfslehrer, Prediger, Buch- und Kunsthändler van Gogh dazu entschlossen, Künstler zu werden. Von den zehn Jahren, die ihm da noch blieben, brachte er gerade mal acht Monate an Akademien, Malschulen oder im Atelier seines Cousins Anton Mauve zu. Und doch: „Er war kein Naturtalent“, sagt Kathrin Pilz, Restauratorin am Van-Gogh-Museum, „er hat sich das Meiste mühevoll selbst beigebracht.“
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So nutzte er lange beim Malen einen Perspektivrahmen: ein optisches Hilfsgerät, bei dem Drähte spinnennetzartig in einen hölzernen Rahmen von Schuhkartongröße gespannt wurden, so dass beim Durchblicken eine Landschaft wie eine Torte in sechs oder mehr Teilstücke aufgeteilt war. Einzeln ließen die sich leichter malen.
Van Gogh kopierte zu Übungszwecken Meister wie Jean-François Millet oder Eugène Delacroix, pauste Vorzeichnungen auf die Leinwand. Und wenn er keine mehr hatte, spannte er ein weißes Küchenhandtuch auf den Rahmen. Manchmal, wie bei den zauberschönen Fischerbooten am Strand von Saintes-Marie-de-la-Mer, schrieb er die Farben in die Zeichnung hinein – Malen nach Buchstaben, sozusagen.
Und: Van Gogh war fortschrittlich, stets auf dem Stand der Zeit, so nutzte er etwa den roten Kunstlack mit dem Farbstoff Eosin Y. Was man damals nicht ahnte: Die Farbe reagiert auf ultraviolettes Tageslicht – und verblasst. Deshalb muss man sich einige vertraute Van-Gogh-Klassiker wie das „Schlafzimmer“ ganz anders vorstellen, als wir es seit Jahrzehnten kennen: die scheinbar so typisch provenzalischen Wände in Pastellblau dürften ursprünglich violett gewesen sein: „Wir sind alle ein wenig erschrocken bei der Vorstellung“, gesteht die Restauratorin. Auch manche Mandel- oder Pfirsich-Blüte, die heute weiß scheint, dürfte mal knallrosa gewesen sein.
Ergebnisse von acht Forschungsjahren
Das Van-Gogh-Museum, nach sieben Monaten Umbauzeit gerade wiedereröffnet, zeigt die Ergebnisse der acht Forschungsjahre, unter anderem mit der letzten erhaltenen Palette van Goghs und einer seiner Farbtuben, in der Ausstellung „Van Gogh bei der Arbeit“. Was aber nicht heißt, dass man die Bilder über alledem nicht mit Vergnügen, ja Freude sehen könnte, von den glühenden Sonnenblumen bis zu den wild wogenden Weizenfeldern.