Düsseldorf. . Die Theaterfassung der Oper „Hoffmanns Erzählungen“ in Düsseldorf hat manchmal auch schöne Momente. Ansonsten ist diese Bühnenvariante über E.T.A. Hoffmann und seine Erzählungen etwas strubbelig und reichlich staubhaltig geraten. Bei der Premiere gab’s höflichen Applaus.

Psychologisch betrachtet ist dieser Hoffmann ein Messie: Hier hat ewig keiner aufgeräumt. Überall Akten- und Bücherberge, grau vor Staub, die sogar die Türen blockieren. Kein Wunder, befindet sich doch das Multitalent in einem maroden Zustand. Hoffmann säuft, faselt und träumt, ein Syphilitiker im Fieberwahn, seinen Figuren hilflos ausgeliefert.

Markus Bothes Fassung von „Hoffmanns Erzählungen“ hat mit Offenbachs Oper etwa so viel zu tun wie ein Putztuch mit dem Zimmer des verstörten Dichters. Statt dessen erlebt man im Schauspielhaus eine 100-minütige Psycho-Studie mit Musik: Hoffmanns Verwirrungen.

Musiker schälen sich aus Büchern

Bothe hat aus Tagebüchern, Briefen und Berichten über E.T.A. Hoffmann ein Stück mit Opern-Anleihen komponiert, das den Dichters in den Mittelpunkt rückt und mit Deutungen nicht geizt. Hoffmann: Autor, Anwalt Lebemann – und Wrack.

„Ein Theater!“, stößt Hoffmann (Christian Ehrich) erstaunt hervor, als er im Staube zu sich kommt. Sogleich taucht ein Richter (Verena Reichhardt) auf, der ihn wegen Beleidigung in seinem Werk „Meister Floh“ belangt. Die Ehefrau (Claudia Hübbecker) bricht durch die graue Wand. Musiker schälen sich aus Büchern. Um es vorwegzunehmen: Henning Beckmann, Christoph Kammer und Lars Kuklinski sind ein famoses Trio, das Offenbachs Kompositionen als moderne Songs auf die Bühne bringt.

Es treten auf: Puppe Olympia, Sängerin Antonia und Giulietta, die Kurtisane – alle aus der Oper. Stella, die Geliebte, Cäcilia, die verstorbene Tochter und Hoffmanns Objekt der Begierde, die 13-jährige Gesangsschülerin Julia, letztere acht Mal – alle aus dem wahren Leben. Ständiger Begleiter ist die Muse (Moritz Führmann), die mephisto-ähnliche Züge trägt. Im Laufschritt geht es durch den Zitaten-Dschungel von den Opernvorlagen „Der Sandmann“, „Rat Krespel“, und „Die Abenteuer der Sylvesternacht“ über „Don Juan“ bis „Nachricht von den neuesten Schicksalen des Hundes Berganza.“

Grelle Spuk-Show im Fieberwahn

Bothe inszeniert eine grelle Spuk-Show, eine Tour de Force im Fieberwahn. Wobei das Ensemble, allen voran Christian Ehrich zwischen Freak und Biedermann, gut ist, und es schöne Momente gibt. Die Stummfilm-Blitzversion des „Sandmann“ ist so einer.

Und doch: Am Ende bleibt ein krauser Abend aus Biografie, Fiktion und Deutung. Interessant für Freudianer, eine Qual für Opernfreunde und Staub-Allergiker – und passend zur skurrilen Lage des Schauspielhauses, dessen halbe Findungskommission soeben empört zurücktrat, wegen Indiskretionen bei der Intendantensuche.

Nach dem höflichen Applaus liegt die Perücke einer der zahlreichen Julias auf dem Bühnenboden. Bei so einer Inszenierung kann man schon mal den Kopf verlieren.

Karten/Termine: www.duesseldorfer-schauspielhaus.de